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Wolfsburg weint nach verlorenem Finale in der Champions League

Beim 2:3 gegen Barcelona hatten Wolfsburgs Fußballerinnen den Titel zum Greifen nah. Dass das Finale Werbung für ihren Sport war, tröstet kaum

  • Frank Hellmann, Eindhoven
  • Lesedauer: 5 Min.
Alexandra Popp (v.) hat es satt, nach internationalen Endspielen immer anderen beim Jubeln zusehen zu müssen. Am Samstag war es der FC Barcelona.
Alexandra Popp (v.) hat es satt, nach internationalen Endspielen immer anderen beim Jubeln zusehen zu müssen. Am Samstag war es der FC Barcelona.

Sie stand ziemlich weit abseits. Fast verloren mit gesenktem Kopf zwischen den üblichen Konfettischnipseln, die auf den Rasen des Stadions in Eindhoven herabgeregnet waren. Alexandra Popp machte ihre Enttäuschung ganz mit sich alleine aus. Die Anführerin des VfL Wolfsburg hatte beim 2:3 (2:0) gegen den FC Barcelona im Champions-League-Endspiel einige Tritte und sogar Schläge einstecken müssen, aber an Deutschlands prominentester Fußballerin nagte vor allem der Schmerz der Niederlage.

Wie schon vor einem Jahr nach dem von ihr wegen einer Verletzung verpassten Endspiel der Europameisterschaft gegen England in London ertrug es die 32-Jährige kaum, wie andere ausgelassen zu immer denselben Klängen von Neil-Diamond (»Sweet Caroline«) und Queen (»We are the Champions«) tanzten. Vielleicht ahnte die Nationalspielerin in diesem Augenblick, dass es als Vereinsspielerin bei ihren Triumphen in der Königsklasse 2013 und 2014 bleiben wird, denn für sie ging nach 2016, 2018 und 2020 nun auch das vierte Finale auf dieser Bühne in Serie verloren. Bei der Übergabe internationaler Trophäen bloß Spalier zu stehen, passt weder zum Ehrgeiz noch zum Anspruch von Alexandra Popp, zumal Titeloptionen irgendwann endlich sind.

Zwar versuchten erst Barcelonas Weltfußballerin Alexia Putellas und dann Wolfsburgs Sportlicher Leiter Ralf Kellermann zu trösten, doch manchmal trocknen Tränen nicht auf Ansage. Sie sei »ziemlich leer, sehr enttäuscht – und ein bisschen wortkarg. Wenn du so nah dran bist und das Spiel aus der Hand gibst, dann tut es einfach nur brutal weh«, beschied die traurige Torjägerin ein paar Minuten später. Dann stapfte sie hinaus zu den kreischenden Fans, die jede Finalteilnehmerin auf dem Weg zum Bus wie einen Popstar begleiteten.

Bei einem abendlichen Interview mit dem ZDF, zu dem sie aus der Innenstadt Eindhovens zugeschaltet wurde, waren ihre Augen noch immer gerötet. »Wir haben Barcelona die Stirn geboten, wir haben den DFB-Pokal gewonnen, wir sind Vizemeister. Das kann sich schon sehen lassen«, konstatierte Popp etwas gequält vor der Saisonabschlussfeier am selben Abend, ehe am Tag danach der Rückflug nach Niedersachsen, der Empfang auf dem Wolfsburger Rathausplatz und der Eintrag ins Goldene Buch folgten. Dass die VfL-Fußballerinnen längst zu einem Vorzeigemodell der Stadt geworden sind, ist zwar unstrittig, aber vielleicht springen die zur Gewohnheit gewordenen Titel am Fließband bald nur noch national heraus.

»Das Erreichen des Finals war ein Riesending. Es wird nicht unbedingt leichter«, verdeutlichte Trainer Tommy Stroot die Lage. Man werde gegen die globalen Marken aus Barcelona, London oder Paris nur mithalten können, solange Toptalente wie Lena Oberdorf den Weg mit dem Werksverein gehen, aber: »Die finanziellen Mittel spielen mittlerweile eine ganz große Rolle«, sagte der 34-Jährige. Letztlich tröstete sich der akribische Analytiker damit, am Samstag »eine Werbung für den Frauenfußball in allen Bereichen« angeboten zu haben.

Eine Halbzeit lang war für sein gnadenlos effizientes Ensemble alles nach Plan gelaufen: »Wir hatten Barça genau da, wo wir sie haben wollten.« Ewa Pajor erzielte erst mit einer Energieleistung das 1:0 (3.) und flankte dann auf den Kopf von Popp zum 2:0 (37.). Doch das spanische Weltklasseteam schlug »mit Wucht und Qualität« (Stroot) zurück: Nach dem Doppelschlag der grandiosen Allrounderin Patri (48. und 50.) ermöglichte ein verunglückter Klärungsversuch der Niederländerin Lyn Wilms ausgerechnet der ehemaligen Wolfsburgerin Fridolina Rolfö die Entscheidung im Kampf der Fußballkulturen (70.). Selbstkritisch merkte die in das finale Malheur verwickelte Nationalspielerin Kathrin Hendrich zum Systemausfall nach Wiederanpfiff an: »Barcelona hat umgestellt und wir hatten keine Ordnung.«

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg empfahl den Verliererinnen, »viele positive Dinge« mitzunehmen, schließlich hatte es ihr wichtigstes Zuliefererteam in einem »hochklassigen Spiel mit super Atmosphäre« geschafft, dass die Gesänge der 8000 katalanischen Fans in der ausverkauften Heimstätte des PSV Eindhoven zeitweise verstummten. Zur Analyse der Bundestrainerin gehörte auch, dass es »Kompaktheit und Stabilität« über die volle Distanz brauche, um solche Gegnerinnen zu bezwingen.

Keine unwichtige Erkenntnis auch für die Nationalelf bei der WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August). Schließlich hat die 55-Jährige in ihren vorläufigen Kader zehn Wolfsburgerinnen berufen, die im Gegensatz zur halb so großen Fraktion des FC Bayern allesamt pünktlich am 20. Juni zum ersten Trainingslager in Herzogenaurach aufschlagen werden.

Zum umstrittenen Münchner Sonderweg in der Vorbereitung mit der verspäteten Abstellung wollte Stroot nichts mehr sagen, dafür aber zu den immer noch anhängigen Streitigkeiten um die Übertragungsrechte. Es müsse jetzt doch umso mehr »absolute Priorität« haben, dass sich der Weltverband Fifa und die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF einig werden. Von Fifa-Seite hieß es erneut, dass das deutsche Gebot »unter drei Prozent« von jener Summe liegt, die für die Rechte an der Männer-WM 2022 flossen. Wolfsburgs Coach will nicht wahrhaben, dass der Deal platzt: »Wer dieses Spiel gesehen hat, kann daraus fast die Verpflichtung ableiten, dass es ausgestrahlt wird – für die Fifa genauso wie die deutschen Fernsehsender.«

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