Tschechiens Militär in Sorge vor Russland

Unzureichend geschützter Luftraum bereitet Prag Kopfzerbrechen

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.

Der seit 15 Monaten im Osten tobende Krieg zwischen Russland und der Ukraine scheint sich immer mehr auszuweiten. Auch die Staaten in unmittelbarer oder nächster Nachbarschaft fühlen sich zunehmend bedroht und stellen sich die Frage, ob sie sich verteidigen könnten, falls der Krieg zu ihnen kommt. Im tschechischen Generalstab hat man da jedenfalls Zweifel. Generalleutnant Karel Řehka, Chef des Stabes, warnte mehrfach, dass ein militärischer Konflikt mit Moskau nicht auszuschließen sei.

Luftraum nicht gesichert

In der einheimischen Presse weisen Militärexperten darauf hin, dass der Luftraum über der Tschechischen Republik nur unzureichend geschützt sei. Dass russische Truppen mit Panzern an der Ostgrenze auftauchen, halten sie für eher unwahrscheinlich. Doch Moskau verfügt über ein gewaltiges Potenzial an ballistischen Raketen, gegen die Tschechien nur wenige Abwehrmöglichkeiten hätte. So dienen im 25. Flugabwehrraketenregiment im südböhmischen Strakonice zwar qualifizierte und auch hoch motivierte Soldatinnen und Soldaten. Doch die ihnen zur Verfügung stehende Technik ist nicht auf dem modernsten Stand. Als Hauptwaffe wird das noch aus sowjetischer Produktion stammende Raketensystem 2K12 Kub eingesetzt. Diese Flugabwehrraketen wurden bereits in den 50er Jahren entwickelt und stetig modernisiert. Doch mit den modernen Systemen vom Typ Iris-T oder Patriot sind sie nicht vergleichbar.

Des Weiteren stehen der tschechischen Luftabwehr noch schwedische Systeme vom Typ RBS-70 zur Verfügung. Hierbei handelt es sich jedoch um Kurzstreckenwaffen, die von Infanteristen zur Bekämpfung von Helikoptern oder tieffliegenden Kampfflugzeugen genutzt werden können. Bei diesen schultergestützten Lenkwaffensystemen werden die Raketen vom Schützen mittels Laserstrahl an das Ziel herangeführt. Zur Abwehr ballistischer Raketen oder von Marschflugkörpern sind die Systeme aufgrund ihrer geringen Reichweite von nur 7000 Metern ungeeignet.

Eine Verbesserung, so die Experten, werde sich nach derzeitigem Stand erst 2026 einstellen, wenn Tschechien die israelischen Spyder-Systeme erhalte. Allerdings, so warnt der Militärexperte Milan Mikulecký, dürften die zu erwartenden vier Batterien des Systems nur etwa ein Fünftel des tschechischen Territoriums schützen können. Selbst die 38 Mehrkampfjets, über die die tschechische Luftverteidigung verfügt, könnten keinen ausreichenden Schutz vor ballistischen Raketen gewähren, so die Befürchtungen.

Sind die Truppen einsatzbereit?

Die Luftverteidigung der Republik hängt damit derzeit stark von der Einsatzbereitschaft der in Deutschland, Polen und Rumänien stationierten Patriot-Einheiten ab.

Nebst der eingeschränkten Luftsicherheit macht Generalstabschef Řehka auch auch der Stand der Einsatzbereitschaft der Truppe Sorgen. Seit 2004 setzt Tschechien auf ein Berufsheer, das aus derzeit etwa 27 000 Soldatinnen und Soldaten besteht. Internationale Missionen auf dem Westbalkan und in Afghanistan haben zwar gezeigt, dass die dort eingesetzten Kräfte hochmotiviert an der Seite der internationalen Partner agierten. Doch inwieweit die relativ kleine Truppe in der Lage sein könnte, auch eine direkte Bedrohung des eigenen Territoriums abzuwehren, ist fraglich. Diese Besorgnis äußerte Řehka bereits am Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine im Parlament. Dem schloss sich auch die tschechische Verteidigungsministerin Jana Černochová an, die vor allem den Vorgängerregierungen vorwarf, die Verteidigungspolitik in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt zu haben. Wie Tschechiens Wirtschaft die Mittel für eine bessere Ausrüstung und eine Aufstockung des Verteidigungssektors beschaffen könnte, konnte sie jedoch nicht beantworten. Und das könnte auch schwierig werden. Denn die Wirtschaft der Republik befindet sich zurzeit nicht nur in einer Krise, sie ist auch noch in vielen Bereichen von Russland abhängig.

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