Strom vom Acker: Agri-PV in Brandenburg

Soldarmodule über Feldern könnten einen großen Teil des Energiebedarfs decken – doch die Umsetzung ist kompliziert

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 4 Min.

Theoretisch könnte das Freiflächen-Solar-Ausbauziel Deutschlands für 2040 komplett mit Agri-Photovoltaik (Agri-PV) gedeckt werden. Und dies würde nur zwei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche beanspruchen. Unter Agri-PV versteht man Solaranlagen über oder zwischen Flächen, die für Äcker oder Tierhaltung genutzt werden. Das erklärt Kerstin Wydra, Agrarwissenschaftlerin an der Fachhochschule Erfurt, in einem Fachgespräch zum Thema. Eingeladen hatten der neue Verein Powershift Brandenburg und das Junglandwirte-Projekt der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg.

Wydra nennt zwei Gründe, warum sich Landwirt*innen mit dieser Technik beschäftigen sollten: Erstens sei die Landwirtschaft mit verantwortlich für Klimaerhitzung und Artensterben. Zweitens entstünden in der Agrarwirtschaft schon jetzt Milliardenschäden durch Wetterextreme wie Trockenheit. Und Solarzellen über den Feldern beeinträchtigten nicht etwa die Erträge, im Gegenteil: »Es sind höhere Erträge möglich, weil Anbaufrüchte unter den Modulen geschützt werden vor zu viel Sonne, Stürmen oder Starkregen«, berichtet Wydra. Die Solarmodule könnten ein Feld um bis zu 10 Grad abkühlen, der Boden bleibe feuchter und es würden bis zu 20 Prozent Wasser eingespart. Teilweise träten sogar weniger Pflanzenkrankheiten auf. Die doppelte Flächennutzung durch den Stromertrag komme als Vorteil noch dazu.

Die Agrarwissenschaftlerin präsentiert Fotos verschiedener Agri-PV-Modelle, die sich teils auf Gerüsten fünf Meter über dem Boden befinden, sodass Traktoren bequem darunter durchfahren können, und die teils mit Regenauffanganlagen oder Windmaschinen zur Klimatisierung der darunter wachsenden Pflanzen ausgestattet sind. Wieder andere richten sich nach der Sonne aus, sodass ihr Schattenwurf die Pflanzen perfekt vor den Strahlen schützt. Durch die Gerüste gingen gerade mal 0,5 Prozent der Fläche verloren.

Werden Tierweiden für Agri-PV genutzt, dienen Solarmodule nebenbei als Schattenwerfer und Wetterschutz für Kühe, Schafe oder Hühner, so Wydra. Naturschutzverbände wie Greenpeace sehen in Agri-PV auch eine Chance für die Biodiversität, da vor allem unter niedrigen Modulen bereits zahlreiche bedrohte Arten bodenbrütender Vögel oder Insekten gefunden wurden.

»Schön ist es ja nicht«, zitiert Wydra eine häufige Kritik an der Sonnenenergie – und präsentiert nebeneinander Fotos von Agri-PV und Feldern, die mit Hagelschutzfolien überzogen sind. Und zum Spaß noch eins von einer Kohlegrube. Im Vergleich sei Photovoltaik dann wohl doch nicht so schlimm.

Die eigentlichen Probleme, weshalb Agri-PV noch viel zu selten vorkomme: Bäuerliche Betriebe würden bei der Investition nicht ausreichend unterstützt und die Genehmigungsverfahren seien viel zu kompliziert. Unter anderem müssten Naturschutzgutachten vorgelegt werden, selbst für Gebiete, die gar nicht unter Naturschutz stehen. »Das brauchen wir nicht, wenn wir Gift sprühen oder Spargelfolie hinlegen«, zieht Wydra wieder einen Vergleich.

»Die finanzielle Förderung ist in der Regel der Knackpunkt«, sagt Jochen Gerber, der sich als Anwalt mit den juristischen Rahmenbedingungen der erneuerbaren Energien beschäftigt. Zumal es unterschiedliche Modelle gebe, je nachdem ob ein Anbieter seinen Strom direkt vermarktet, also an einen Netzbetreiber verkauft, oder nicht. Genauso uneinheitlich seien die Anforderungen für Baugenehmigungen: Laut Baugesetzbuch privilegiert würden Solaranlagen bislang nur entlang von Autobahnen oder Schienen.

Kerstin Wydra fordert neben vereinfachten Genehmigungsverfahren auch Beteiligungsmöglichkeiten für Landwirt*innen, Bürger*innen und Kommunen. Wie so etwas aussehen kann, stellt abschließend Sabine Terhaar von der Energiegenossenschaft fairPla.net vor. Die Genossenschaft sei das ideale Modell für eine lokale Energieerzeugung, an der sich viele Menschen schon mit wenig Geld beteiligen können. Der Nachteil seien die hohen Planungsrisiken bei unsicherer Genehmigungslage. »Möglicherweise kann man die Planungskosten am Ende gar nicht amortisieren«, sagt sie. Daher habe sich ihre mit sieben anderen Genossenschaften zu einer Bürgerprojektgemeinschaft zusammengeschlossen, die diese Risiken trägt – vielleicht auch eine Lösung für Investitionen in Agri-PV.

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