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Nada-Chefin Andreas Gotzmann zieht zum Abschied Bilanz
Die Vorstandsvorsitzende verlässt nach zwölf Jahren die Nationale Antidoping-Agentur
Eine kleine Ära in der deutschen Antidoping-Branche geht zu Ende. Nach zwölf Jahren an der Spitze der Nationalen Antidoping-Agentur (Nada) tritt Andrea Gotzmann als Vorstandsvorsitzende zurück. Die letzte Jahrespressekonferenz am Dienstag in Berlin geriet so auch zu einer Art Abschiedsrunde der früheren Basketballerin. »Anfangs hatten wir nur anderthalb Seiten Verbotsliste. Jetzt umfassen die Antidoping-Bestimmungen mehr als 1000 Seiten«, erzählte Gotzmann. »Und was mich sehr freut, ist ein Bewusstseinswandel bei den Athleten. Sie wollen sauberen Sport betreiben«, ergänzte sie. Einen ähnlichen Wandel kann sie auf der Ebene der Sportpolitiker und Funktionäre nicht entdecken. »Dort dauern Karrieren oft 20, 30 oder 40 Jahre, es kommen also nicht so schnell neue Generationen nach«, meinte sie.
In ihrem letzten Bericht betonte Gotzmann noch einmal die pandemiebedingten Schwierigkeiten. Zu Beginn des Jahres fanden immer noch Wettkämpfe nur eingeschränkt statt. Auch Kontrollen waren schwierig. Im Verlaufe des Jahres 2022 erreichten sie aber zumindest statistisch das Niveau vor Corona: 12 387 Kontrollen mit insgesamt 15 465 Proben wurden genommen. 2019 waren es 12 910 Kontrollen mit 17 498 Proben, 2020 sank das Volumen auf 9572 Proben.
79 mögliche Verstöße wurden von der Nada im Vorjahr festgestellt, 25 führten letztlich zu Sanktionen, 16 Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Nicht enthalten sind in der Statistik die Bluttests nach der Dried Blood Spot-Methode. Dabei entnehmen Athleten sich selbst vor laufender Kamera kleinste Mengen Blut, die für die gängigen Analysen ausreichen.
Diese Tests erkennt die Welt-Antidoping-Agentur Wada bislang nicht an. »Wir halten sie für ein gutes Verfahren und werden bei der Wada weiter für die Anerkennung arbeiten«, betonte Gotzmann. Vor allem während der Pandemie mit Kontaktbeschränkungen stellten diese aus der Ferne getätigten Tests eine gute Alternative dar, um die Kontrolllücken nicht zu groß werden zu lassen. Aber auch ökonomisch könnten sie Sinn machen, weil zumindest Reisekosten der Kontrolleure wegfallen. Geld spielt auch im Antidoping-Kampf eine Rolle. Gotzmann befürchtet aufgrund gestiegener Kosten der Anbieter von Kontrollen Einschränkungen. »Die Kosten sind um 25 bis 30 Prozent gestiegen. Der Ukraine-Krieg spielt hier eine Rolle, gestiegene Energiekosten, aber auch tarifliche Anpassungen«, sagte sie.
Im Spitzensportbereich werde die Nada aber nicht sparen, versicherte die ausscheidende Chefin gegenüber »nd«: »Wir sind immer noch gut aufgestellt. Strategisch haben wir vorbereitet, dass wir uns noch stärker vernetzen, noch stärker mit den internationalen Organisationen wie der Internationalen Test Agentur Ita zusammenarbeiten. Und das intelligente Testen hat, glaube ich, noch ein bisschen Luft nach oben.«
Zu viel Spielraum gibt es immer noch bei der Frage der verbotenen Substanzen, beispielsweise in Bezug auf Manipulationsmöglichkeiten mithilfe von Schilddrüsenmedikamenten. Hier vertritt die Nada weiterhin die blockierende Position der Wada, die kein Manipulationspotenzial erkennen will. Experten wie der Münchner Sportmediziner und Kardiologe Axel Preißler sehen das anders. »Die Schilddrüse muss man sich wie ein Kraftwerk im Körper vorstellen. Sie ist für die Beschleunigung und Kontrolle von Stoffwechselprozessen erforderlich. Das heißt, dann wäre es natürlich schon denkbar, dass man durch Schilddrüsenhormone Prozesse beschleunigen, Energieherstellung unterstützen und Muskelkraft stärken kann«, erklärte er.
Schilddrüsenmedikamente nutzten in der Vergangenheit unter anderem Box-Champion Muhammad Ali und Leichtathletik-Star Carl Lewis zur Leistungssteigerung. Auch Athletinnen und Athleten des aufgelösten Nike Oregon-Projects um den mittlerweile wegen Dopings verurteilten Lauftrainer Alberto Salazar erhielten Schilddrüsenmedikamente. Endokrinologen, Mediziner mit dem Spezialisierungsgebiet Hormone, gehören längst zum Fachpersonal in zahlreichen Feldern des Berufssports, was Doping mit Hormonen begünstigen könnte – erst recht, wenn es sich rein rechtlich gar nicht um Doping handelt. »Wir halten uns hier an das Regelwerk der Wada«, sagte Gotzmann in Bezug auf Manipulationsgefahr mit Medikamenten, die die Hormonproduktion der Schilddrüse steuern.
Von »nd« auf die Situation des Dopingkontrollsystems in Russland angesprochen, bezog Gotzmann eine klare Position: »Ich vermisse hier Transparenz, ich kann nicht nachvollziehen, welche Athleten von welcher Agentur getestet und in welchen Labors die Proben analysiert werden. So stellt man kein Vertrauen her. Und die Rusada ist weiterhin als nicht compliant von der Wada eingeschätzt.« Russische Sportler werden von internationalen Verbänden getestet. Proben, die die russische Agentur Rusada nimmt, werden in Laboren außerhalb Russlands untersucht. Welche Umfänge und welche Analysetiefe das hat, ist aber offenbar selbst für Experten nicht recht durchschaubar.
Sollten nach Ende des Krieges russische Aktive wieder vermehrt an internationalen Wettkämpfen teilnehmen können, ist das internationale Antidoping-System zumindest nach gegenwärtigem Stand schlecht darauf eingestellt. Sportler und Sportlerinnen aus der Ukraine, die in Deutschland leben und trainieren, wurden übrigens von der Nada kontrolliert. Es handele sich um etwa ein Dutzend Proben, erzählte Gotzmann.
Zu ihrer Nachfolge mochte die scheidende Chefin noch nichts sagen. Dem Antidoping-Betrieb geht sie aber nicht komplett verloren. Eine beratende Funktion könne sie sich vorstellen, verriet sie »nd«.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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