Apothekenstreik: Ausstand der Weißkittel

Hunderte Apotheken bleiben in Berlin geschlossen

  • Lola Zeller und Marten Brehmer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nirgends in der Bundesrepublik waren die Auswirkungen des Apothekenstreiks so spürbar wie in Berlin: Der übergroße Teil der 733 Apotheken der Hauptstadt blieb am Mittwoch geschlossen. Mit rot-weißem Absperrband und Plakaten machten die Pharmazeut*innen ihren Protest deutlich. 29 Notfallapotheken hatten gesichert offen, nur wenige andere Apotheken liefen trotz Streik im Normalbetrieb. An den wenigen offenen Apotheken bildeten sich teilweise lange Schlangen. Aufgerufen zu den Aktionen hatte der Apothekerverein, der Berliner Ableger des Apothekerverbands.

»Wir sind hier, weil die Politik der Regierung unsere Arbeit gefährdet und so auch die Versorgung mit Arzneimitteln«, sagt Hendrikje Lambertz aus dem Vorstand des Apothekervereins zu »nd«. Sie nimmt an einer großen Demonstration im Berliner Bezirk Mitte teil. Zusammen mit laut Polizeiangaben 3800 in weißen Kitteln gekleideten Kolleg*innen setzt sie sich am Mittwochmittag für bessere Voraussetzungen für Apotheken ein. »Die wichtigste Forderung ist eine bessere Honorierung. Aktuell können Apotheken nicht wirtschaftlich betrieben werden«, sagt Lambertz, die selbst zwei Apotheken in Lichtenberg führt.

Diese Forderung bezieht sich auf die Honorarregelung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Zurzeit erhalten die Apotheken 8,35 Euro für jede verkaufte Packung. Trotz Inflation ist dieser Betrag seit über zehn Jahren nicht mehr gestiegen. Nach dem Wunsch der Apotheker*innen soll dieser Beitrag auf zwölf Euro steigen und dann mit dem allgemeinen Preisniveau wachsen. Weil die Kosten bei Personal und Material steigen, warnen die Apotheker*innen vor einem großflächigen Apothekensterben, falls die Honorare auf dem niedrigen Niveau verbleiben sollten.

Ein solches Apothekensterben ist in Berlin und Brandenburg bereits zu beobachten: In Berlin sank die Zahl der Apotheken seit 2013 von 863 auf 733, in Brandenburg sank sie im selben Zeitraum von 580 auf 546. Teilweise ist der Rückgang aber auch auf einen Trend weg von kleineren, eigentümergeführten Apotheken hin zu größeren Filialen von Apothekenketten sowie den Medikamentenversand im Internet zurückzuführen. »Jeden Tag schließt eine Apotheke. Auch in Berlin merken wir das zum Beispiel daran, dass die Bezirke teilweise Schwierigkeiten haben, die Notdienste zu füllen«, sagt Lambertz.

Auch Apotheker Herr Nguyen nimmt an der Demonstration in Berlin teil. »Ich finde es superwichtig, dass wir streiken«, sagt er »nd«. Er sieht ein besonderes Problem darin, dass es den Apotheken durch die schlechte Finanzierung kaum möglich sei, die Beschäftigten angemessen zu bezahlen. »Ich hoffe, dass wir auch nach dem Streik nicht aufhören, sondern weitermachen, bis unsere Forderungen gehört werden«, sagt Nguyen. Sorge bereitet den Apotheker*innen auch der Medikamentenmangel. Seit etwa einem Jahr kommt es immer wieder zu Engpässen bei Antibiotika, Blutdruckmitteln und anderen Präparaten.

Bislang reagieren Krankenkassen und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) abweisend auf die Forderung nach höherer Honorierung. Unterstützung kommt hingegen aus Brandenburg. Das Bundesland habe einen Antrag in den Bundesrat eingebracht, um die Vergütung neu zu gestalten, teilte Gesundheitsministerin Ursula Nonnenmacher (Grüne) mit. »Wir brauchen heute mehr denn je jede Apotheke im ländlichen Raum«, begründete sie ihre Unterstützung für die Apotheker*innen.

Bundesweit fanden am Mittwoch Aktionen gegen den »Sparwahn« bei der pharmazeutischen Versorgung statt. Neben der Großdemonstration in Berlin gab es auch eine kleinere Demonstration in Neuruppin.

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