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Asylpolitik und die Grünen: Regieren um jeden Preis
Die Grünen agieren in der Ampel-Koalition zurzeit vor allem pragmatisch und lassen bei der Asylpolitik Humanität vermissen
Im Mittelpunkt des Länderrats von Bündnis 90/Die Grünen im hessischen Bad Vilbel standen die eigenen Befindlichkeiten. Voller Pathos sprachen die Parteispitzen von Zumutungen, Zerrissenheit und Bauchschmerzen, davon, wie falsch sie es finden, traumatisierte Menschen an den EU-Außengrenzen einzusperren – und warum sie dem trotzdem zugestimmt haben: Ohne ihre Mitwirkung wäre alles noch schlimmer geworden.
Nebenbei schimpften die grünen Funktionsträger*innen auf Rechte und die Union, als säßen sie in der Opposition und hätten nicht gerade mit Ersteren einen Deal geschlossen. Diese Selbstvergewisserung ist heuchlerisch. Und der Beschluss, sich im Trilog zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission für Verbesserungen einzusetzen, wenig erfolgversprechend. Zwar wäre es gut, wenn Deutschland nicht zu Grenzverfahren verpflichtet würde. Das grundlegende Problem wäre damit aber nicht gelöst, sondern nur wie bisher an die Grenzstaaten der EU delegiert. Vielsagend ist auch, dass die Partei sich zwar für eine Ausnahme bei Familien mit Kindern einsetzen will, sich jedoch nicht auf eine generelle Kampfansage an Haftzentren für Geflüchtete einigen konnte. Der gelebte Pragmatismus der Grünen frisst ihre gelobte Humanität auf.
Größeren Einfluss auf die geplante Asylrechtsverschärfung hätte ohnehin die Ablehnung der grünen Minister*innen gehabt. Dass die Diskussion mit der Basis erst erfolgte, nachdem der entscheidende Schritt schon gegangen war, spricht Bände – auch für die Prioritäten der kritischen Stimmen in der Partei. Dass man die Menschenrechte nur unter Schmerzen aufgibt, ändert für Geflüchtete rein gar nichts, macht es der eigenen Anhängerschaft aber schwerer, sich wirklich aufzulehnen.
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