Brecht-Weigel-Haus: Das I-Tüpfelchen zur Weltliteratur

Besucherzentrum des Brecht-Weigel-Hauses in Buckow eröffnet

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Vom neuen Besucherzentrum des Brecht-Weigel-Hauses in Buckow (Märkisch-Oderland) geht der Blick durch große Fenster hinaus auf den herrlichen Garten mit Schilf am See. In das Klavierspiel von Christian Steyer zur Eröffnung des Zentrums mischt sich am Montag das Zwitschern der Vögel in den Bäumen hinter dem Grundstück.

Der Dramatiker Bertolt Brecht hatte das schöne Anwesen Anfang 1952 gemeinsam mit seiner Frau, der Schauspielerin Helene Weigel, für sich entdeckt. In sein Journal trug er ein: »Mit Helli in Buckow in der Märkischen Schweiz Landhäuser angesehen. Finden auf schönem Grundstück am Wasser des Schermützelsees unter alten großen Bäumen ein altes, nicht unedel gebautes Häuschen mit einem andern, geräumigeren daneben, etwa 50 Schritte entfernt. Etwas der Art wäre erschwinglich, auch im Unterhalt.«

Brecht griff tatsächlich zu. Bis zu seinem Tod 1956 in Ostberlin nutzte der berühmte Theatermann die Villa als Datsche. Seine Witwe Helene Weigel wohnte dann noch bis 1971 in dem Haus, bevor auch sie in Berlin starb. 1977 eröffnete die von den Erben an den Staat verkaufte Villa als Gedenkstätte für Brecht und Weigel. Doch die Verhältnisse waren immer beengt in dem zwar nicht ausgesprochen bescheidenen, aber auch nicht sonderlich großen Atelierhaus, das sich einst der Bildhauer Georg Roch hatte errichten lassen. Darum entstand die Idee, ein modernes Besucherzentrum daneben zu setzen – mit Empfang, Büros, Toiletten und Veranstaltungsraum.

Erst im Dezember 2020 setzte Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) den symbolischen ersten Spatenstich. Eigentlich sollte das Besucherzentrum schon 2020 fertig werden. Das hat aber nicht geklappt. »Dies war keine leichte Baustelle«, erklärt Landrat Gernot Schmidt (SPD) nun zur Eröffnung am Montag in einer launigen Rede. Es habe Schwierigkeiten mit dem Untergrund gegeben. Und: »Die Architektur hat es in sich und dies müssen ja dann die Handwerker immer ausbaden.« Aber es ist nach Einschätzung von Schmidt alles gut geworden, obwohl er gerne mit dem Zimmermann über die Ausführung in einer Ecke gefachsimpelt hätte, wenn dieser im Publikum gesessen hätte. Zufrieden kann der Landrat sein, weil die Bauzeit trotz Corona-Pandemie mit den allgemein daraus folgenden Lieferschwierigkeiten nicht gar zu sehr überschritten wurde und die Kosten trotz des Preisauftriebs auch nicht »dramatisch« über dem Plan liegen, wie sich Schmidt extra noch vergewissert.

Die Europäische Union, die Bundesrepublik Deutschland und das Land Brandenburg haben Fördermittel für das Bauprojekt spendiert. »Die Voraussetzungen hier sind vorzüglich. Ein Haus, das sich der Natur und der Landschaft öffnet«, schwärmt Landrat Schmidt. Die neue Museumsleiterin Juliane Grützmacher habe nun Möglichkeiten, die ihre in den Ruhestand getretene Vorgängerin Margret Brademann nie gehabt habe.

Die Bundestagsabgeordnete Simona Koß (SPD) lobt: »Eine Glanzleistung, die der Landkreis da hingelegt hat, trotz vieler Diskussionen, trotz vieler Widerstände.«

Brandenburgs Kulturstaatssekretär Tobias Dünow (SPD) nennt das Besucherzentrum in einer ebenfalls launigen Rede sichtlich beeindruckt das »I-Tüpfelchen auf der Landkarte der Weltliteratur«. Dünow berichtet, dass er bei allen möglichen Terminen Grußworte vorbringe und dabei oft behaupte, sich sehr zu freuen, heute hier zu sein. »Das ist in den allermeisten Fällen gelogen«, gesteht der Staatssekretär. »Heute aber nicht.« Denn Brecht-Fan sei er bereits als Gymnasiast geworden und es immer geblieben. Allerdings, auch das gesteht Dünow, ausgerechnet mit den berühmten Buckower Elegien, also der überwiegend genau hier im Juli und August 1953 gedichteten Lyrik, habe er immer gefremdelt. Insbesondere das Gedicht vom Radwechsel habe er nicht begreifen können. »Wozu braucht ein proletarischer Revolutionär ein Fahrrad?«, will Dünow wissen. »Und warum ist er nicht in der Lage, sein verdammtes Rad selbst zu wechseln?«

Dass sich die Einweihung des Besucherzentrums verzögerte, versucht der Staatssekretär ironisch so zu erklären: Die Beteiligten hätten es sicherlich darauf angelegt, erst später fertig zu werden, damit die Eröffnung in das Jahr des 125. Geburtstags von Brecht fällt. Schmunzeln muss der Sozialdemokrat, weil zu diesem 125. Geburtstag eine 20-Euro-Gedenkmünze mit dem Konterfei von Bertolt Brecht geprägt wurde, auf der dann auch noch steht: »Ändere die Welt! Sie braucht es.« Dünow würde diese Aussage bereitwillig unterschreiben. Aber ob eine Euro-Münze der passende Ort für diese »plausible Wahrheit« ist, da hat er so seine Zweifel.

Immerhin hatte Brecht in finanziellen Dingen nicht immer eine glückliche Hand und auch ein gespaltenes Verhältnis zum Geld. Außerdem war Brecht Kommunist, wenn auch parteilos. Seine bahnbrechende Methode des epischen Theaters wäre ohne die marxistische Theorie als Grundlage nicht denkbar gewesen.

Für Dünow liegt der Verdacht nahe, dass die Verantwortlichen in der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main mit dem Werk von Brecht nicht so recht vertraut sind. Nachhilfe gibt es im Besucherzentrum des Brecht-Weigel-Hauses. Hier liegt ein vom Suhrkamp-Verlag besorgtes Brecht-Breviers zur Wirtschaftskrise aus. Der Titel: »Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?«

Auch Bücher über die Schauspielerin Helene Weigel sind dort zu finden. Die Weigel trete in der Erinnerung viel zu oft in den Hintergrund, weiß Dünow. Dabei ist ihm bekannt: »Da, wo Brecht draufsteht, ist oft Helene Weigel drin.« Im Brecht-Weigel-Haus wird diese Frau jedenfalls nicht vergessen. Hier wird im Theaterschuppen der Wagen der »Mutter Courage« gezeigt, den Weigel, als sie die Rolle spielte, in unzähligen Aufführungen des Brecht-Stücks »Mutter Courage und ihre Kinder« über die Bühne zog.

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