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Unterbezahlung für Gefangene ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat die niedrigen Löhne für Strafgefangene beanstandet

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 4 Min.

Beschäftigte erhalten derzeit in Deutschland einen Stundenlohn von mindestens zwölf Euro. Das ist gesetzlich garantiert. Für Gefängnisinsassen gilt dieser Mindestlohn hingegen nicht. Auch sie gehen zwar für gewöhnlich in der Haft einer Arbeit nach, erhalten dafür aber lediglich einen Stundenlohn zwischen etwa 1,30 Euro und unter drei Euro, je nach Qualifikation. In den Strafvollzugsgesetzen der Bundesländer ist definiert, wie diese Löhne zustande kommen: Es sind genau neun Prozent des Durchschnittsverdiensts der regulären Beschäftigten (sog. »Ecklohn«).

Gegen diese bestehenden Regelungen zur Entlohnung von Arbeit hinter Gittern haben zwei Häftlinge aus Bayern und Nordrhein-Westfalen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt – und Recht bekommen. Die Vorschriften der beiden Bundesländer seien mit dem Resozialisierungsgebot nicht vereinbar und somit verfassungswidrig, entschied das Gericht am Dienstag in Karlsruhe. »Aus dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot folgt, dass Arbeit im Strafvollzug nur dann ein wirksames Resozialisierungsmittel ist, wenn die geleistete Arbeit angemessene Anerkennung findet«, hieß es zur Begründung. Mehr als ein Dutzend Sachverständige wurden im Verfahren angehört.

Der Gesetzgeber muss bis Mitte 2025 nachbessern und die Löhne erhöhen. Das Verfassungsgericht gab am Dienstag aber keine Höhe des zukünftigen Lohns vor. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, ein bestimmtes Entlohnungsmodell vorzugeben, betonte die Vizepräsidentin Doris König. Bei einer Neuregelung könne der Gesetzgeber auch einen Teil des Arbeitsentgelts für bestimmte Zwecke einbehalten oder die Gefangenen an den Kosten im Vollzug beteiligen – etwa durch einen Haftkostenbeitrag oder eine Stromkostenpauschale.

Wie König weiter ausführte, habe das Gericht lediglich die Resozialisierungskonzepte der beiden Bundesländer überprüft. Es erklärte sie für nicht in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Die Länder seien jedoch nicht dazu verpflichtet, eine rückwirkende Vergütungsregelung zu schaffen, befand der Senat. Bis zu einer Neuregelung gelten die alten Vorschriften weiter.

Das Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber dazu, die Resozialisierung der Gefangenen zu fördern. Arbeiten im Strafvollzug soll dabei helfen, auch später nach der Haftentlassung einen Job zu finden und wieder in die Gesellschaft eingegliedert zu werden. Dabei sind Inhaftierte in den meisten Bundesländern sogar dazu verpflichtet, im Gefängnis zu arbeiten. Dies stellt eine Ausnahme vom prinzipiellen Verbot der Zwangsarbeit dar.

Zwar müssen Häftlinge für ihren grundlegenden Lebensunterhalt nicht selbst aufkommen. Kleine Extras wie Leihgebühren für Fernseher, Telefonkosten oder Kaffee müssen sie aber selbst zahlen. Ihr Geld können sie im Anstaltsladen ausgeben. Außerdem sparen sie für das sogenannte Überbrückungsgeld, das sie bei der Haftentlassung bekommen.

Vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat die Gefangenengewerkschaft GG/BO deutlich mehr Geld für die Betroffenen gefordert. Das derzeitige System sei »Ausbeutung«, sagte GG/BO-Sprecher Manuel Matzke am Dienstag. Damit werde nur vermittelt, dass sich ehrliche Arbeit nicht auszahle, kritisierte er weiter. Häftlinge sollten stattdessen den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Über Steuern sollten sie zugleich an den hohen Haftkosten beteiligt werden. Derzeit nutze die Wirtschaft die Gefängnisse durch die niedrigen Löhne als »Sonderwirtschaftszone«, so die GG/BO weiter.

Dies beklagte auch die Linke. Juliane Nagel, Abgeordnete des sächsischen Landtags, bemängelte, dass die bisherige Bezahlung in den Gefängnissen dem »verfassungsrechtlich verankerten Resozialisierungsgebot« widerspreche. »Von ihr profitieren die Justizverwaltung und externe Unternehmen – welche das sind, hält die Staatsregierung allerdings geheim. Selbst unsere Forderung nach einem zehnprozentigen Inflationsausgleich, den wir in den Haushaltsverhandlungen beantragt hatten, hat die Koalition abgelehnt«, so die Linken-Politikerin weiter. Mutmaßlich Hunderte Firmen bundesweit lassen Gefängnisinsassen für sich arbeiten. Welche Firmen es sind, halten fast alle Bundesländer geheim.

Die niedrige Entlohnung wurde in Karlsruhe schon einmal beanstandet. 1998 entschied das Gericht: Auch Gefangenenarbeit müsse »angemessene Anerkennung« finden. Den Gefangenen solle durch die Entlohnung »der Wert regelmäßiger Arbeit« für ein künftig straffreies und selbstverantwortliches Leben vor Augen geführt werden. Daraufhin wurden die Gefangenenlöhne 2001 fast verdoppelt: von fünf auf neun Prozent des Ecklohnes. Gegen diese Neuregelung wurden schnell wieder Verfassungsbeschwerden erhoben. Nun wurde im Sinn der Gefangenen entschieden. Die Löhne aller rund 42 000 Strafgefangenen in Deutschland müssen angehoben werden. Mit Agenturen

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