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Planungsstopp für neue Radwege in Berlin: Einfach ignorieren
Wachsender Widerstand gegen Radweg-Moratorium von CDU-Verkehrssenatorin Manja Schreiner
Die Ankündigung von Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), bereits geplante Radwegprojekte mit Auswirkungen auf den Autoverkehr zu kippen, schlägt weiter hohe Wellen. Eigentlich hatten Grüne und Linke im Abgeordnetenhaus eine Sondersitzung des Mobilitätsausschusses zu den Hintergründen des Planungsstopps beantragt. Am Dienstag ist klar: Diese wird es nicht geben. CDU und SPD sehen keinen Grund, sich dem Antrag anzuschließen.
Kristian Ronneburg, der Verkehrsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, zeigt sich zwar »irritiert« von der schwarz-roten Blockadehaltung – dies umso mehr, als die SPD noch am Wochenende mit Blick auf Schreiners Vorstoß Redebedarf erkennen ließ. Locker lassen will er deshalb keineswegs. »Die Debatte wird auch so weitergehen«, sagt Ronneburg »nd«.
Die Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg ziehen gleich ganz andere Register. Wie die Fraktion erklärt, wird man bei der BVV-Sitzung am kommenden Mittwoch beantragen, dass der Bezirk dem verordneten Radwegmoratorium einfach nicht nachkommt. Das Bezirksamt wird aufgefordert, »alle abgestimmten, bereits angeordneten oder finanzierten Projekte zur Verbesserung des Fuß- und Radverkehrs auch weiter umzusetzen«.
Wie berichtet, wurden etliche Bezirke in der vergangenen Woche aufgefordert, die Planungen für neue Radwege »vorläufig« auf Eis zu legen, sofern Fahrstreifen oder mehr als eine »überschaubare Anzahl« von Parkplätzen wegfallen oder der Wirtschafts- und Lieferverkehr »erheblich« beeinträchtigt wird.
»Das hat für richtig schlechte Stimmung gesorgt«, sagt Pascal Striebel, Grünen-Fraktionschef in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg. Es müsse erst einmal geprüft werden, ob die Verkehrsverwaltung einen solchen Stopp überhaupt anordnen könne. »Wir haben rechtliche Bedenken, wie verbindlich das ist«, sagt Striebel »nd«.
Striebel verweist dabei auch auf bereits eingeworbene Fördergelder, die zu verfallen drohen oder gar zurückgezahlt werden müssen, falls geplante Projekte jetzt abgeblasen werden. »Bei jedem größeren Projekt kann man hier mit 500 000 Euro aufwärts rechnen.« Ganz zu schweigen davon, dass jahrelange Planungsarbeit für die Katz wäre.
Wie viele Radwegplanungen dem neuen »Miteinander« der Verkehrssenatorin genau zum Opfer fallen, ist noch unklar. Eine Auflistung der Senatsverwaltung gibt es nicht, zumindest nicht öffentlich. Der »Tagesspiegel« zählte berlinweit »mindestens« 18 Abschnitte auf, die vom Planungsstopp betroffen wären. Dass überdies nicht einmal alle Bezirke – Stand jetzt – Post aus Schreiners Haus bekommen haben, sorgt für zusätzliche Verwirrung.
Für Friedrichshain-Kreuzberg zeichnet sich aktuell ab, dass nach dem Willen Schreiners die Radpläne für die Friedenstraße abgeblasen werden müssten. Entlang des Volksparks Friedrichshain bis durch zur Palisadenstraße sollten nach Angaben der landeseigenen Infravelo die Ausbauarbeiten im dritten Quartal beginnen. Und genau das sollen sie auch, finden die Grünen. Egal, was die Verkehrsverwaltung fordert.
Striebel sagt: »Uns geht es mit unserem Antrag darum, ein Signal zu setzen.« Die SPD-Fraktion habe bereits ihre Zustimmung signalisiert. Selbst die Linksfraktion im Bezirk, die mit den Grünen hier in aller Regel über Kreuz liegt, will sich der Initiative nicht grundsätzlich verschließen. Über die »konkrete Wortwahl« müsse man sicherlich noch einmal reden, sagt Fraktionschef René Jokisch zu »nd«. Aber: »Wir sind uns einig, dass wir diesen Frontalangriff der CDU auf die Verkehrswende ablehnen.«
Jokischs Parteifreund Kristian Ronneburg ist unterdessen davon überzeugt, dass der Widerstand aus dem von den Grünen geführten Friedrichshain-Kreuzberg erst der Anfang ist. »Wenn Friedrichshain-Kreuzberg sich jetzt wehrt, werden andere Bezirke nachziehen«, sagt der Linke-Politiker.
Tatsächlich wird auch in der BVV Mitte bereits Front gemacht gegen den Planungsstopp. Zunächst hatten auch hier die Grünen mobilisiert und gefordert, die SPD im Bezirk müsse sich positionieren. Die in Mitte tendenziell linken Sozialdemokraten ließen sich nicht lange bitten. »Den von Dr. Schreiner ausgerufenen Kulturkampf ›Vorfahrt für Autos‹ lehnen wir ab. Wir fordern die Einhaltung des Mobilitätsgesetzes und eine Verkehrswende aus der Sicht der schwächeren Verkehrsteilnehmer*innen«, teilte Erik Haase, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, umgehend mit.
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