Baptisten in den USA: Fromme Frauenfeinde

Der größte Kirchenverband der USA schließt Frauen vom Priesteramt aus

  • Anjana Shrivastava
  • Lesedauer: 3 Min.
Treffen der Southern Baptist Convention am 12. Juni 2018 in Dallas, Texas
Treffen der Southern Baptist Convention am 12. Juni 2018 in Dallas, Texas

Der größte Kirchenverband der USA, die Southern Baptist Convention, ist eine Bastion der konservativen Evangelikalen. Traditionelle Geschlechterrollen sind ein fester Teil ihres Wertesystems. Und das soll auch so bleiben: Auf der jährlichen Versammlung des Verbandes vergangene Woche wurde mit überwältigender Mehrheit entschieden, Kirchengemeinden unter der Führung von Pastorinnen auszuschließen. Rund 90 Prozent der Delegierten bei der nationalen Zusammenkunft in New Orleans votierten für die Vorlage – der Ausschluss von Pastorinnen ist also Konsens.

In 1900 Kirchengemeinden der Südbaptisten sind Pfarrerinnen tätig. Der Verband zählt noch über 14 Millionen Mitglieder, hat aber in den vergangenen Jahren über eine Million verloren. Eine neue Fraktion von Ultrakonservativen versucht seit zwei Jahren, den Verband zu kapern. Die Vertreibung der Pastorinnen gilt als erster Erfolg der Hardliner.

Zwar steht die theologische Haltung der Kirche seit Jahrzehnten fest: Südbaptisten-Pfarrer haben männlich zu sein. Doch juristisch gelten schon lange andere Regeln. Gerade hat die prominente Saddleback-Kirche unter der Leitung des Bestsellerautors Pastor Rick Warren drei Pfarrerinnen ordiniert, ein Ehepaar soll seine Nachfolge antreten. Warren, der mit modernen Ansichten und Organisationstechniken einen erheblichen Zuwachs seiner Mitgliedschaft erreichte, gilt den Konservativen als Paradebeispiel der schleichenden Liberalisierung. Für die Pastorinnen, die sich oft seit der Kindheit für die Kirche engagieren, sowie für ihre Anhänger ist der Ausschluss überaus bitter und unerwartet.

Was nach außen wie ein extremer Schritt Richtung Traditionalismus und veralteter Rollenbilder wirkt, hat aktuelle politische Gründe. Seit Jahren brodelt es bei den Südbaptisten, weil Gender- und Rassismusfragen längst in den kirchlichen Alltag eingezogen sind. Die Mitglieder der Ultrakonservativen wettern vor allem gegen die Aufklärungsarbeit der Black-Lives-Matter-Bewegung, die nach der Tötung von George Floyd durch einen Polizisten im letzten Jahr der Trump-Präsidentschaft Massenproteste organisierte.

Konservative Pastoren schimpfen auf die sogenannte Critical Race Theory, die Schüler über Rassismus in der US-Geschichte aufklären soll. Zwar spalteten sich die Südbaptisten im Jahre 1845 von den Baptisten im Norden ab, um die Institution der Sklaverei explizit zu unterstützen. Doch im 20. Jahrhundert holte sie der gesellschaftliche Fortschritt ein: Auch schwarze Pastoren und Gemeinden schlossen sich den Südbaptisten an. Seit der Kontroverse um George Floyd sind jedoch fast ein Dutzend schwarze Pfarrer freiwillig aus dem Verband ausgetreten.

Auch Geschlechterprobleme sind zentral. Die Konservativen lehnen die Aufklärung über Genderthemen an Schulen ebenso wie die Ehe für homosexuelle Paare ab. Vor der Versammlung erklärten die Ultrakonservativen, dass die Arbeit von Pastorinnen die weitere Liberalisierung der Kirche vorantreibe. Ihre Existenz sei somit eine besonders vordringliche Bedrohung. Zwar scheiterte die Kandidatur des Erzkonservativen Pfarrers Allen Nelson IV für die Präsidentschaft des Verbands in New Orleans zum dritten Mal. Doch nach dem Beschluss gegen Pastorinnen und mit fortschreitendem Zerfall der Kirche ist ein zukünftiger Erfolg keinesfalls ausgeschlossen.

Die Südbaptisten gelten als Speerspitze der Evangelikalen in den USA. Die reaktionäre Entwicklung in der Frauenfrage ist der größte gesellschaftliche Rückschritt des Verbandes seit dem Scheitern von Donald Trump. Die Baptisten haben auch eine lange Tradition des Antirassismus und des Feminismus, der Konservatismus der Südstaaten-Kirchen ist nicht ihr einziger ideologischer Strang. Doch der Pfarrer Rick Warren appellierte in New Orleans vergeblich an das freie Denken seiner Brüder und Schwestern im Glauben. Im Ausschluss der Pastorinnen zeigt sich die alarmierende Verhärtung der Geschlechterrollen in weiten Teilen der US-Gesellschaft.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.