- Wirtschaft und Umwelt
- Globaler Gleichstellungsindex
Weltwirtschaftsforum: Ausgebremst zur Parität
Das Weltwirtschaftsforum prognostiziert globale Gleichstellung in 131 Jahren. Der Prozess ist verlangsamt
Mit der aktuellen Geschwindigkeit prognostiziert das Weltwirtschaftsforum Geschlechterparität im Jahr 2154. Das geht aus dem globalen Gleichstellungsindex hervor, der seit 2006 kontinuierlich erscheint und in dem die geschlechtsspezifischen Unterschiede von 146 Ländern systematisch erfasst werden. Die Daten beziehen sich auf eine binäre Einteilung in Männer und Frauen, nichtbinäre, inter- und transgeschlechtliche Personen werden nicht erfasst.
Global liegt der errechnete Gleichstellungsindex, also der Prozentsatz des Geschlechtergefälles, der geschlossen wurde, bei 68,4 Prozent. Doch dieser Wert unterscheidet sich sehr stark zwischen verschiedenen Regionen der Welt und den analysierten Unterpunkten wirtschaftliche Teilhabe und Chancen, Bildungsabschlüsse, Gesundheit und Überleben sowie politische Teilhabe.
Im Vergleich zum vergangenen Jahr hat sich die Lücke global gesehen um 0,3 Prozentpunkte verkleinert. Obwohl der Wert damit wieder auf dem Niveau vor der Pandemie liegt, spricht das Weltwirtschaftsforum von einer deutlich verlangsamten Gesamtgeschwindigkeit der Veränderungen, die geschlechtsspezifische Unterschiede ausgleichen. Im Gleichstellungsindex 2020 prognostizierte das Weltwirtschaftsforum noch 100 Jahre bis zur Parität. Verbesserungen gibt es global insbesondere in der Kategorie Bildung (95,2 Prozent). Hier wie auch im Bereich Gesundheit und Überleben (96 Prozent) gibt es weltweit hohe Gleichstellungswerte – bei teilweise allerdings sehr schlechten allgemeinen Lebensbedingungen unabhängig vom Geschlecht.
Zum 14. Mal in Folge nimmt Island Platz eins auf dem Index ein. Als einziges Land hat es den Maßgaben des Weltwirtschaftsforums zufolge über 90 Prozent (91,2) seiner geschlechtsspezifischen Unterschiede beseitigt. Danach folgen Norwegen (87,9), Finnland (86,3), Neuseeland (85,6), Schweden (81,5), Deutschland (81,5), Nicaragua (81,1) und Namibia (80,2). Besonders schlecht über alle Bereiche hinweg schneidet Afghanistan ab, mit 40,5 Prozent landet das Land auf dem letzten Platz, im Bereich politische Teilhabe steht der Index auf null Prozent, was einer absoluten Ungleichheit entspricht.
Deutschland ist im Index um vier Plätze im Vergleich zum Vorjahr vorgerückt. Grund dafür ist in erster Linie eine Verbesserung auf dem Feld der politischen Teilhabe: die weitgehende Parität des Kabinetts Scholz sowie der mit 31,4 Prozent leicht angestiegene Frauenanteil unter den Abgeordneten im Bundestag im Vergleich zur vorangegangenen Legislatur. Allerdings war er 2013 mit 37,3 Prozent auch schon einmal höher.
Auch weltweit ist die Zahl der Frauen in politischen Entscheidungspositionen gestiegen. Seit 2013 ist in den 76 Ländern, für die konsistente Daten vorliegen, der Anteil weiblicher Parlamentsmitglieder von 18,7 auf 22,9 Prozent gestiegen. Auch bei der Vertretung von Frauen in Kommunalverwaltungen wurden weltweit erhebliche Fortschritte erzielt. Von den 117 Ländern, für die seit 2017 Daten vorliegen, haben 18 Länder, darunter Bolivien (50,4), Indien (44,4) und Frankreich (42,3), einen Frauenanteil von über 40 Prozent in der Kommunalverwaltung erreicht.
Eine zentrale Ursache für die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ist über alle Länder hinweg die Unterrepräsentation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Die Parität in diesem Bereich ist auf dem zweitniedrigsten Stand seit der ersten Ausgabe des Index und deutlich unter dem Höchststand von 69 Prozent im Jahr 2009.
»Obwohl es ermutigende Anzeichen für eine Erholung auf das Niveau vor der Pandemie gibt, tragen Frauen weiterhin die Hauptlast der aktuellen Lebenskostenkrise und Störungen auf dem Arbeitsmarkt«, sagte Saadia Zahidi, Geschäftsführerin des Weltwirtschaftsforums.
In diesem Bereich schneidet Deutschland ebenfalls eher schlecht ab. Bei der Einkommensgleichheit hat das Land erst 57,2 Prozent der Lücke überbrückt und landet in diesem Bereich auf Platz 102, nur knapp über dem globalen Wert von 48,1 Prozent. Zu den Ländern mit der höchsten Punktzahl gehört Liberia, gefolgt von Simbabwe (97,6), Tansania (90,3) und Burundi (88,3). Am unteren Ende der Verteilung liegen Iran (17,1), Algerien (19,2 ) und Ägypten (19,7). Das erstplatzierte Island liegt hier bei 74,2 Prozent.
Die Untersuchung zeigt, dass Frauen immer noch besonders stark in Führungspositionen auch in den Sektoren Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (Mint), die als wichtige Arbeitsmärkte der Zukunft gelten, unterrepräsentiert sind.
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