Zweifelhafte Streikbereitschaft

Rainer Balcerowiak über die Urabstimmung bei der EVG

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach dem von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) erklärten Scheitern der Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn AG stehen die Zeichen anscheinend auf Streik. Die EVG will eine Urabstimmung unter den Mitgliedern durchführen, die im Falle einer mindestens 75-prozentigen Zustimmung einen unbefristeten Arbeitskampf ermöglichen würde. Ob es dazu kommt, ist allerdings zweifelhaft. Zwar dürfte das Quorum weit übertroffen werden, denn bei den Bahn-Mitarbeitern ist ziemlich viel Dampf im Kessel, und mit der gewerkschaftlichen Konkurrenz der GDL im Nacken kann sich die EVG einen allzu schlechten Tarifabschluss schlicht nicht leisten. Zudem hat die EVG bei der Transdev-Gruppe, dem nach der DB hierzulande größten Bahnunternehmen, ein paar Markierungen gesetzt hat, hinter die sie kaum noch zurückgehen kann. Der Abschluss dort beinhaltet unter anderem eine zweistufige Lohnerhöhung von insgesamt 420 Euro bei einer Laufzeit von 21 Monaten. Die Deutsche Bahn beharrt dagegen sowohl auf anders verteilten Erhöhungen und späteren Terminen als auch auf einer Gesamtlaufzeit von 27 Monaten.

Das Zeitfenster für weitere Verhandlungen ist allerdings ziemlich groß. Das Ergebnis der Urabstimmung wird frühestens in vier bis fünf Wochen vorliegen, und die EVG schloss am Donnerstag weder die abermalige Aufnahme von Verhandlungen – was eine erneute Friedenspflicht bedeuten würde – noch den Eintritt in eine Schlichtung aus. Und wer die EVG-Führung in den vergangenen Jahren beobachtet hat, kann sich angesichts ihrer stetigen Bereitschaft zu Reallohnverzichten zum »Wohle des Unternehmens« kaum vorstellen, dass sie ernsthaft auf einen Erzwingungsstreik setzen wird. Es sei denn, der Druck der eigenen Basis zwingt sie dazu.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.