Bolsonaro droht in Brasilien Amtsverbot

Vorwurf Amtsmissbrauch: Brasiliens Ex-Präsidenten wird der Prozess gemacht

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 4 Min.
Ex-Präsident Bolsonaro spielt das Opfer, das wird angesichts der Schwere der Vorwürfe aber wohl nicht reichen.
Ex-Präsident Bolsonaro spielt das Opfer, das wird angesichts der Schwere der Vorwürfe aber wohl nicht reichen.

Es wäre ein »Affront«, wenn er tatsächlich verurteilt wird. Das sagte Brasiliens ultrarechter Ex-Präsident Jair Bolsonaro am Donnerstag gegenüber Reporter*innen. An diesem Tag begann in der Hauptstadt Brasília ein mit Spannung erwartetes Gerichtsverfahren: Bolsonaro muss sich vor der Obersten Wahlbehörde verantworten.

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Ein Gegenstand des Prozesses ist ein Treffen mit Diplomat*innen im Juli 2022. Dort verbreitete Bolsonaro Falschinformationen über elektronische Urnen. Die Anklage wirft ihm Amtsmissbrauch und einen Verstoß gegen das Wahlgesetz vor. Währenddessen erklärte die Verteidigung, Bolsonaro habe »Zweifel an der Transparenz des Wahlprozesses« ausräumen wollen. Außerdem habe sich der damalige Staatschef bei dem Treffen nicht an Wahlberechtigte, sondern an ausländische Diplomat*innen gerichtet.

Mit einem Urteil ist kommende Woche zu rechnen. Fast alle Analysen gehen davon aus, dass Bolsonaro für schuldig erklärt und dadurch seine politischen Rechte verlieren wird. Das würde auch bedeuten, dass er bis 2030 von allen Wahlen ausgeschlossen sein wird.

Bolsonaro wäre nicht der erste Ex-Präsident, den ein Gericht für unwählbar erklärt. 2018 verurteilte ein Gericht den derzeitigen Amtsinhaber Luiz Inácio »Lula« da Silva in zweiter Instanz. Er konnte somit nicht zur Wahl antreten. 2021 wurde das Urteil annulliert und Lula feierte ein spektakuläres Comeback an die Spitze des größten Staates Lateinamerikas.

Was für Bolsonaro ungemütlich werden könnte: Bei einer Razzia im Haus seines Ex-Justizministers Anderson Torres beschlagnahmte die Polizei ein brisantes Dokument. Darauf war ein Plan für die Entmachtung des Obersten Gerichtshofs zu finden, was einem Staatsstreich gleichgekommen wäre. Es wird geprüft, ob das Dokument auch in das aktuelle Verfahren einbezogen wird. Der Vorsitzende Richter Benedito Gonçalves sprach sich dafür aus. Ebenso will die Anklage weitere kontroverse Aussagen Bolsonaros behandeln, was seine Verteidigung um jeden Preis verhindern will. Der Ex-Präsident hatte während seiner Amtszeit immer wieder gegen die demokratischen Institutionen gehetzt und Zweifel am elektronischen Wahlsystem gesät.

Seine Liberale Partei (PL) setzt weiter auf Bolsonaro, der auch in Teilen der Bevölkerung noch immer große Unterstützung genießt. Ein halbes Jahr nach der Präsidentschaftswahl spaltet die Personalie weiter das Land. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Quaest sagten 47 Prozent der Befragten, Bolsonaro müsse verurteilt werden, 43 Prozent waren dagegen.

»An der Urne könnte ein ›toter‹ Bolsonaro mehr wert sein als ein lebendiger«, schreibt Thaís Oyama, Kolumnistin des Online-Mediums »UOL«. Die PL könnte versuchen, Bolsonaro zum »Posterboy« eines rechten Oppositionsführers zu machen. Als mögliche Kandidaten gelten der Gouverneur von São Paulo, Tarcísio de Freitas, und der Gouverneur von Minas Gerais, Romeu Zema. Beide sind gemäßigter als Bolsonaro und könnten Stimmen aus dem bürgerlich-konservativen Lager zurückgewinnen. Dass sich allerdings eingefleischte Bolsonaro-Fans mit der gleichen Energie wie für ihr Idol in den Wahlkampf stürzen würden, ist unwahrscheinlich.

Außerdem darf bezweifelt werden, dass sich Bolsonaro mit einer Rolle als Wahlkampfhelfer abspeisen lässt. Am Tag des Prozessauftaktes erklärte er in einem Interview mit der Tageszeitung »Folha de São Paulo«, »100 Prozent politisch aktiv« bleiben zu wollen. Drei seiner Söhne mischen ebenfalls in der Politik mit und melden Ambitionen für größere Aufgaben an. Gerade Eduardo Bolsonaro, der zweitälteste Spross des Ex-Präsidenten, ist gut vernetzt und pflegt enge Kontakte zu rechtsextremen Kräften in der ganzen Welt. Eine Ersatz-Kandidatur für seinen Vater im Jahr 2026 gilt aber als unwahrscheinlich. Und Bolsonaros Frau Michelle, die laut über eine politische Karriere nachdenkt, dürfte keine echte Chance haben.

Obwohl Bolsonaro in den letzten Wochen rhetorisch abgerüstet hat und sich unlängst gar für einen Kommentar über Corona-Impfstoffe entschuldigte, ist seine Taktik bereits abzusehen. Er wird versuchen, in die Opfer-Rolle zu schlüpfen und bei seinen Anhänger*innen das Narrativ einer Verschwörung des »linken Establishments« zu nähren. Wahrscheinlich wird er nach einer Verurteilung in Berufung gehen und notfalls vor den Obersten Gerichtshof ziehen. Dort sind seine Chancen aber gering. Bolsonaro droht also ein herber Schlag. Sein politisches Ende wäre das aber noch lange nicht.

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