Werbung
  • Sport
  • Fußball der Frauen

DFB-Frauen: »Für die Wertschätzung mussten wir lange kämpfen«

Die Fußballerinnen Laura Freigang und Sophia Kleinherne im Gespräch vor dem ersten WM-Testspiel der DFB-Frauen gegen Vietnam

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 8 Min.
Die Fußballerinnen Sophia Kleinherne (M.) und Laura Freigang (2. v. r.) spielen gemeinsam bei Eintracht Frankfurt und in der Nationalmannschaft.
Die Fußballerinnen Sophia Kleinherne (M.) und Laura Freigang (2. v. r.) spielen gemeinsam bei Eintracht Frankfurt und in der Nationalmannschaft.

Durch die späte Terminierung der Frauen-WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) ist die Vorbereitung ungewöhnlich. Erst war Urlaub angesagt. Verraten Sie, wo Sie waren?

Laura Freigang: Wie einige andere Spielerinnen war ich ein paar Tage mit meinem Bruder auf Mallorca – und dann noch ein bisschen Kulturprogramm in Rom.

Sophia Kleinherne: Ich war mit zwei Freundinnen auf Kreta und danach bei meiner Familie zu Hause. Es war wichtig, mal die Füße hochzulegen und den Kopf freizukriegen.

Die Spielerinnen vom FC Bayern sind erst am Freitag angereist. Sie sind mit deren Kapitänin Lina Magull gut befreundet, die mit der Anweisung ihres Vereins gewiss nicht glücklich war, oder?

Laura Freigang: Wie ich es mitbekommen habe, hatten die Spielerinnen gar nicht so viel damit zu tun, weil die Kommunikation zwischen dem Verein und dem DFB lief. Mir tun die Mitspielerinnen einfach leid, weil sie zwischen den Stühlen standen.

Sophia Kleinherne: Schade, dass man sich nicht auf einen Kompromiss einigen konnte. Es war eine sehr undankbare Situation für die Spielerinnen.

Laura Freigang: Es kam ja auch sehr überraschend. Gerade wenn man weiß, wie wichtig Stimmung und Harmonie sind, finde ich es schade, dass man das vor einem großen Turnier aufs Spiel setzt. Aber das kriegen wir alles gut geregelt. Drei Tage machen für das Zusammenwachsen nicht solch einen Unterschied, es hat eher die Planungen der Bundestrainerin durcheinandergebracht.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!

Wir haben den Neuanfang als Genossenschaft gewagt. Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welches der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen! Mehr Infos auf nd-genossenschaft.de

Das Länderspiel gegen Vietnam in Offenbach ist nun eine Chance für viele Spielerinnen von Eintracht Frankfurt, weil die Fraktion des FC Bayern nicht spielen wird und der Block des VfL Wolfsburg wohl überwiegend geschont werden soll.

Laura Freigang: Das wäre super. Wir würden uns nicht beschweren.

Es sind 12000 Tickets verkauft. Ist das für Sie ein Heimspiel am Bieberer Berg?

Sophia Kleinherne: Ich war noch nie in dem Stadion, aber es werden viele Freunde, Bekannte und auch Leute aus dem Verein kommen, daher ist das für mich schon ein Heimspiel.

Und was ist mit der Rivalität zwischen Eintracht Frankfurt und Offenbacher Kickers?

Laura Freigang: Natürlich bekommt man das mit, dass zwischen den Städten Frankfurt und Offenbach ein spezielles Verhältnis besteht. Aber da wir im Frauenfußball keine Konkurrenzsituation mit einem Offenbacher Verein haben, ist das bei uns nicht solch ein Thema. Ich freue mich einfach, dass das Spiel auch nah an meinem Zuhause ist, sodass meine Eltern kommen. Ich erwarte eine schöne Atmosphäre.

Offenbach und Frankfurt sind Städte, in denen Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der Mehrheit sind. Die DFB-Frauen spiegeln diese Entwicklung aber kaum wider. Warum nicht?

Laura Freigang: Der Frauenfußball kommt in Deutschland gerade erst so richtig in der Gesellschaft an, für viele andere Kulturen gilt das noch nicht. An dem Punkt kann man sicherlich noch viel machen, aber es gibt bereits viele Projekte in diese Richtung. Da dauert es einfach noch ein bisschen, bis solche Spielerinnen in der Bundesliga ankommen.

Alexandra Popp hat ein bisschen pampig reagiert, als die Frage aufkam, ob die Frauen jetzt die Ehre des deutschen Fußballs retten müssen. Ist die Frage denn so abwegig?

Laura Freigang: Wir wollen diese Trennung nicht mehr haben. Wir wollen ein Teil davon sein. Der DFB arbeitet ja auch nicht mehr gesplittet. Insofern spielen wir bei der WM natürlich auch für die Ehre. Was wir für eine Chance und Verantwortung für den Frauenfußball haben, wissen wir sowieso.

Die Anerkennung ist speziell auch in Frankfurt gestiegen. Sie haben zweimal mit der Eintracht in der Arena gegen den FC Bayern und VfL Wolfsburg gespielt, trainieren jetzt direkt am Profi-Camp, trotzdem lassen Sie beim Thema Equal Play nicht locker.

Sophia Kleinherne: Es ist leider nicht die Regel, dass Spielerinnen in anderen Vereinen den Sport so ausüben wie wir in Frankfurt. Für die Wertschätzung mussten wir aber auch lange kämpfen. In meinen Augen ist es schade, dass andere Klubs noch nicht so weit sind.

Laura Freigang: Teilweise sind das Vereine mit einem großen Namen.

Die Fifa schüttet Rekordprämien aus, erstmals direkt an die Spielerinnen: 28 000 Euro für jede WM-Spielerin und mehr als 250 000 Euro für den Titel. Da könnten Sie sich in Frankfurt fast eine eigene Wohnung kaufen.

Laura Freigang: Gehen da keine Steuern ab? (lacht) Mich freut das deshalb, weil es bei der ganzen Diskussion um die Übertragungsrechte (mittlerweile hat sich die Fifa mit ARD und ZDF geeinigt, Anm. d. Red.) immer wieder hieß, der Frauenfußball müsse wertgeschätzt werden. Dass Prämien kommuniziert worden sind, die dem entsprechen, ist umso schöner. Mich freut es ungemein.

Ihre Kollegin Sjoeke Nüsken wechselt jetzt von Eintracht Frankfurt zum FC Chelsea, wo die Verdienstmöglichkeiten deutlich besser sind als in der Bundesliga. Was bedeutet diese Entscheidung? Und würde Sie das auch reizen?

Sophia Kleinherne: Ich kenne sie sehr gut und weiß, dass es für sie an der Zeit war, diesen Schritt zu gehen, auch wenn bei der Eintracht noch einiges passieren kann. Sie wird uns natürlich mit ihrer sportlichen Qualität enorm fehlen.

Laura Freigang: Grundsätzlich finde ich neue Dinge immer spannend. Aber mich begeistert die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland, und wenn ich ins Ausland gehen würde, kann ich das nicht mit anschieben. Unabhängig davon würde ich mir wünschen, dass Nationalspielerinnen auch bei deutschen Vereinen bleiben, nicht nur in Wolfsburg und in München. Ich würde mir wünschen, dass wir in Deutschland vier, fünf Teams hätten, die um die Meisterschaft spielen.

Wie bedeutend wäre es, sich mit Eintracht Frankfurt für die Gruppenphase der Champions League zu qualifizieren?

Sophia Kleinherne: Das wäre der nächste wichtige Entwicklungsschritt, den wir in Angriff nehmen müssen, nachdem wir im letzten Jahr in der Qualifikation gescheitert sind. Wir wollen aktiv in der Champions League spielen, um internationale Erfahrungen zu sammeln, um dann Wolfsburg und Bayern nicht nur an einem »goldenen Tag« zu schlagen.

Gehen Sie eigentlich mit dem Anspruch zur WM, dort Stammspielerin zu werden, nachdem Giulia Gwinn ausfällt?

Sophia Kleinherne: Das ist eine interessante Frage. Eine offene Kommunikation zu dieser Position gab es noch nicht. Natürlich wäre das irgendwo mein Anspruch in diesem Konkurrenzkampf als AV (Außenverteidigerin, Anm. d. Red.).

Sie haben bei der EM sportlich mit nur 15 Minuten Einsatzzeit eine Nebenrolle gespielt. Im Finale waren Alexandra Popp und Klara Bühl ausgefallen, Lea Schüller noch von einer Corona-Infektion geschwächt. Trotzdem wurden Sie nicht eingewechselt. Gab es da mal eine Aussprache?

Laura Freigang: Klar haben wir gesprochen. Ich kann immer nur versuchen mich anzubieten. Ich sehe mich als variable Spielerin, die ihre offensiven Qualitäten von verschiedenen Positionen einbringen und unserem Spiel eine andere Option geben kann – ich bin nicht die klassische Stürmerin. Aber für mich waren die Spielzeiten auch nach der EM bisher begrenzt.

Blicken Sie der endgültigen Kadernominierung mit gemischten Gefühlen entgegen?

Laura Freigang: Ich bin mal gespannt, wie ich mich an dem Tag fühle. Ich habe mir aber schon gesagt, dass ich nichts zu verlieren habe. Das Allerschlimmste, was passieren könnte, wäre ja, dass ich nicht zu dem Turnier fahre. Aber das ist immer noch kein Weltuntergang. Ich schaffe es immer wieder, mich auf Lehrgänge und Training zu freuen.

Und es braucht bei einem langen Turnier und einem abgelegenen Basiscamp ja auch Spielerinnen, die gute Laune verbreiten.

Laura Freigang: Das ist auch ein bisschen mein Dilemma. Am liebsten möchte ich natürlich immer spielen, aber auch wenn es nicht so ist, versuche ich das Beste aus der Situation herauszuholen.

Sophia Kleinherne: Sie weiß und wir als Team wissen, dass Laura generell für die Stimmung eine wichtige Person ist. Aber Anspruch jedes Sportlers ist nun mal, über seine Qualität auf dem Platz definiert zu werden. Ich kann sie da sehr gut verstehen.

Sind Sie beide darauf eingestellt, dass in Australien kühles, nasses Wetter wartet?

Sophia Kleinherne: Wir wissen, dass dort Winter ist, deswegen fliegen wir ja auch zwei Wochen vorher rüber, um uns zu akklimatisieren. Ich war noch nie in Australien, und unabhängig vom Fußball warten spannende Dinge auf uns, auf die wir uns einstellen müssen.

Laura Freigang: Ich habe im Fußball lieber 13 als 33 Grad. Ich werde den Sommer wohl ein bisschen vermissen, aber für die WM ist es doch super. Bei mir ist der verbrannte Rasen bei der EM in England noch hängen geblieben, als wir ein Spielersatztraining bei 40 Grad absolviert haben. Mal wieder einen Pulli anzuziehen, ist nicht schlimm. Und Regen sowieso nicht.

Interview

Laura Freigang, 25, ist gebürtig aus Kiel, wuchs aber in Rheinland-Pfalz auf. Nach einem Stipendium in den USA in Pennsylvania trainierte sie 2018 zunächst in Frankfurt mit, unterschrieb dann einen Vertrag und hat sich zum Gesicht der Eintracht-Fußballerinnen gemausert. Die meinungsstarke Stürmerin hat in der Nationalelf in 19 Länderspielen schon 12 Tore geschossen, ist aber dort weit weg von einem Stammplatz.

Sophia Kleinherne, 23, stammt aus Telgte im Münsterland, kam 2017 vom FSV Güters­loh 2009 nach Frankfurt. Die vielseitige Abwehr­spiele­rin hat sich zur Leistungsträgerin der Eintracht entwickelt. Die Verteidigerin (26 Länderspiele) absolviert noch ein Fern­studium in Sportmanagement.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!