- Wirtschaft und Umwelt
- Wassernotstand
Salziges Trinkwasser in Montevideo
Im südamerikanischen Uruguay mangelt es an Wasser – Grund dafür sind auch politische Entscheidungen
In Uruguays Hauptstadt Montevideo herrscht der Wassernotstand. Davon betroffen sind rund 1,8 Millionen Menschen und damit mehr als die Hälfte der gesamten Bevölkerung des kleinen südamerikanischen Landes. Dessen wichtigste Versorgungsquelle ist der Stausee Paso Severino, der große Süßwasserspeicher 85 Kilometer nördlich von Montevideo. Doch seine Vorräte schwinden, und eine Besserung ist nicht in Sicht. Mitte Juni waren noch 3,7 Millionen der insgesamt 67 Millionen Kubikmeter Fassungsvermögen mit Wasser befüllt – ein neuer historischer Tiefstand seit 1949.
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Seit drei Jahren stöhnt Uruguay unter einer Dürre. Forscher*innen machen dafür das Wetterphänomen La Niña verantwortlich, das in Südamerika für geringe Niederschläge sorgt. Laut offizieller Regierungserklärung rührt der Wassernotstand daher, dass mangels Regen der Stausee nicht mehr ausreichend befüllt werden könne.
Weil das Wasser aus dem Stausee allein nicht ausreicht, um den Ballungsraum um Montevideo zu versorgen, wird es mit Wasser aus dem Río de la Plata vermischt. Uruguay liegt an dessen Mündung in den Südatlantik, der Fluss führt hier ein Gemisch aus Süß- und Brackwasser. Seit Anfang Mai kommt daher salzhaltigeres Wasser aus den Hähnen. Bereits zweimal hat die Gesundheitsbehörde die erlaubten Höchstwerte für Natriumchlorid im Wasser angehoben: zunächst von 200 auf 440 Milligramm, dann auf 700 Milligramm pro Liter. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt höchstens 200 Milligramm.
Überdies muss mehr Chlor eingesetzt werden, um das Wasser aus dem Río de la Plata zu behandeln. »Es ist absolut sicher, dass die Erhöhung der Werte 45 Tage lang keine gesundheitlichen Schäden verursachen wird«, versuchte Gesundheitsministerin Karina Rando zu beruhigen. Zudem senkte die Regierung die Tarife für die unappetitliche Brühe. Doch ließ deren starker Salz- und Chlorgeschmack gleichzeitig die Nachfrage und die Preise für in Flaschen und Kanistern abgefülltes Trinkwasser in den Supermärkten so in die Höhe schnellen, dass die Regierung die Steuer darauf senkte und ärmere Verbraucher*innen derzeit zwei Liter pro Tag gratis erhalten.
Offizieller Wassernotstand
Präsident Luis Lacalle Pou hat bereits den Wassernotstand für die Hauptstadt und den Großraum Montevideo verhängt. Die Not ist derart groß, dass in dem rund 60 Hektar großen Parque Batlle, der grünen Lunge im Zentrum der Hauptstadt, zwei Brunnen mit einer Tiefe von 90 und 42 Metern gebohrt wurden, die bis zu 480 Kubikmeter Trinkwasser pro Tag liefern. Angesichts der täglich benötigten Menge von bis zu 600 000 Kubikmetern Wasser für Montevideo ist dies ein Tropfen auf den heißen Stein, wie selbst der staatliche Wasserversorger OSE einräumt. Da der Salzgehalt dieses Wassers geringer ist, wird es immerhin für die Versorgung von Krankenhäusern und Schulen genutzt.
Gleichzeitig hat das Präsidialamt die tägliche Berichterstattung über die Salz- und Chlorwerte an sich gezogen. Es verkündete, dass der Bevölkerungsanteil ohne Bluthochdruck »den üblichen täglichen Wasserkonsum beibehalten« könne, der vollständig aus dem staatlich gelieferten Wasser stammt. Fer Kindernahrung sollte kein Salz zugesetzt werden, und für die Zubereitung von Säuglingsnahrung sei »Mineralwasser zu verwenden«. Über 60-Jährige mit Bluthochdruck sollten sich regelmäßig medizinisch kontrollieren lassen.
Politische Entscheidungen
Uruguays Umweltschutzgruppen wie Redes – Amigos de la Tierra machen die Politik für den Wassermangel verantwortlich. Der Regen bleibe aus, weil die Landnutzung radikal verändert wurde. »No es sequía, es saqueo« – Es ist keine Dürre, es ist Plünderung – so lautet ihr Protestruf. Nicht nur die jetzige liberale Regierung, auch die progressiven Vorgängerregierungen hätten die Wasserversorgung von Industrie und Agrarwirtschaft über die Versorgung der Bevölkerung gestellt. Vor allem die Zellulosefabriken sowie die dafür angelegten Agrarindustrieplantagen von Pinien- und Eukalyptusbäumen seien äußert wasserintensiv.
Die Kritik ist berechtigt, da seit Jahren vor dem jetzigen Zustand gewarnt wurde. Zudem schreibt Uruguays Verfassung das Recht auf sauberes Trinkwasser fest. »Der Zugang zu sauberem Trinkwasser und zu sanitären Einrichtungen ist ein grundlegendes Menschenrecht«, heißt es in Artikel 47, der zugleich der Privatisierung von Wasserrechten einen Riegel vorschiebt. Befürchtet wird, dass die liberale Regierung den Wassernotstand jetzt nutzt, um mit groß angelegten Projekten privaten Investoren die Tür zum Wassermarkt zu öffnen. Der ausgerufene Notstand dient in erster Linie der Beschleunigung solcher Vorhaben. Widerstand vonseiten der Opposition ist nicht zu erwarten.
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