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Kotor in Montenegro: Wo kein Kreuzfahrtschiff hinkommt
Kotor, der pittoreske Ort am Ufer der Adria, gehört seit 1979 zum Weltkulturerbe. Das wahre Montenegro beginnt gleich hinter den Stadtmauern
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Drei Kreuzfahrtschiffe liegen in der fjordähnlichen Bucht von Kotor vor Anker. Ihre Passagiere sind mit Tenderbooten oder Bussen auf dem Weg in die Stadt. Jeden Morgen um neun Uhr verwandelt sich die Gemeinde von 5500 Einwohnern in ein Disneyland am Meer. Hinter der viereinhalb Kilometer langen Stadtmauer rüsten sich dann die Souvenirhändler für den Ansturm der Kreuzfahrttouristen, und die Restaurants stellen ihre Tische hinaus.
In den alten Stadttoren stauen sich die Menschenmassen, sie wurden für einen solchen Ansturm nicht gebaut. Im Schlepptau ihrer Guides schlurfen die Tagestouristen durch die engen Gassen. Sie alle steuern die romanische Sankt-Tryphon-Kathedrale an. Sie gilt nicht nur als schönstes Gotteshaus in der Stadt, die meisten Montenegriner gestehen ihr diesen Titel auch fürs ganze Land zu. Die ältesten Teile der Kirche stammen aus dem 12. Jahrhundert, die Stirnseite mit den beiden Türmen kam aber erst nach dem Erdbeben von 1667 hinzu.
Wenn die Erde bebt
In Kotor teilt man die Zeit auch heute noch in die Jahre vor und die nach dem Erdbeben ein. Allerdings meint man damit das von 1979, das die montenegrinische Küste erschütterte und die Altstadt von Kotor in Trümmer legte. Zehn Jahre hat man für den Wiederaufbau gebraucht, doch heute steht die Stadt im alten Glanz da. Eine enge Gasse, ein lauschiger Platz mit einer Kirche und ein paar Restaurants – so ließe sich Kotor in wenigen Worten beschreiben. All das schaut man sich aber am besten nach 16 Uhr an, dann sind die Kreuzfahrttouristen zurück an Bord und Kotor gehört wieder den Einheimischen.
- Eine achttägige Wanderreise zu den Highlights Montenegros bietet der Reiseveranstalter Weltweitwandern für ca. 1900 Euro an. Die Weinverkostung bei Angelika Temper-Jablan ist im Reiseprogramm enthalten.
www.weltweitwandern.com - »Bike and Wine«-Tour
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Die Romantiker fahren dann hinaus zur Insel »Maria vom Felsen«, nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt im Meer vor der Küste von Perast. Auf dem winzigen Eiland liegt einzig die namensgebende Kirche, doch die ist so fotogen, dass mancher Reisende allein wegen ihr nach Montenegro kommt.
Weil sich nahezu der gesamte Tourismus des Landes in Kotor abspielt, beginnt das »wahre Montenegro« gleich außerhalb der Stadtmauern. Nur wenige Kilometer vom Ort entfernt steigen die Montenegriner im Nationalpark Lovćen über mehr als 400 schweißtreibende Stufen zum 1565 Meter hoch gelegenen Mausoleum von Petar II. (1813–1851) hinauf. Von oben genießen die Wanderer einen grandiosen Weitblick über gut zwei Drittel des Landes.
Ganz in der Nähe, dort unten im Tal, liegt die alte Hauptstadt Cetinje. Bis 1918 hatte hier die Regierung ihren Sitz, und noch heute residiert im »blauen Palast« der Staatspräsident. Noble Botschaftsgebäude aus früheren Zeiten zeugen vom einstigen Ruhm der Stadt, leere Straßen kurz nach Ladenschluss von der nicht ganz so noblen Gegenwart.
Die Umgebung der Stadt bietet sich als Wandergebiet für all jene an, denen der hochalpine Norden zu anspruchsvoll ist. Auf den Pfaden der Region ist man auch in der Hochsaison meist allein. Der 30-jährige Guide Amijan Šahman erklärt, warum das so ist: »Für uns Montenegriner ist das Überleben anstrengend genug – in der Freizeit verbringen wir unsere Zeit lieber im Restaurant oder Café.«
Besuch im Weinberg
Bei Angelika Temper-Jablan geht es ums Essen und Trinken. Die Österreicherin ist als Entwicklungshelferin nach Montenegro gekommen, der Liebe wegen ist sie geblieben. Jetzt führt sie eine kleine Reiseagentur. Bei ihrer »Bike and Wine«-Tour lernt man nicht nur montenegrinischen Rotwein aus der Vranac-Rebe kennen, sondern auch die kulinarischen Leckereien der Region. Der Schmaus findet idyllisch neben den Rebstöcken in Angelikas eigenem Weinberg statt. Weil Schwiegervater Pavle begeisterter Schnapsbrenner ist, gehört der eine oder andere Klare zur Verdauung mit dazu.
Flamingos in den Salinen
Für viele Gäste sind Restaurants und Cafés der Hauptgrund, warum sie in Virpazar am Skadar-See aufs Boot steigen. Am Zielort Rijeka Crnojevića, einem kleinen Dorf am Nordufer, reiht sich nämlich ein Restaurant an das andere. Fast möchte man meinen, dass jeder der noch verbliebenen 175 Einwohner ein Ausflugscafé betreibt. Abseits der Lokale wirkt Rijeka Crnojevića mit seinen halb verfallenen Häusern eher wie eine Geisterstadt. Eine Sehenswürdigkeit hat der kleine Ort dann aber doch zu bieten, die geschwungene Alte Brücke, Stari Most, von 1853.
Der Skadar-See ist für seine reichhaltige Vogelwelt bekannt. Reiher, Kormorane und Pelikane sind hier zu Hause, insgesamt lassen sich mehr als 300 Arten hier beobachten: Eine Viertelmillion Vögel beziehen am Skadarsee ihr Winterquartier.
Das gefällt natürlich den Ornithologen unter den Gästen. Einzig der Skadar-Wasserfrosch, der weltweit nur noch hier zu finden ist, verflucht die Vogeldichte wohl – denn bei den meisten Vögeln steht er ganz oben auf der Speisekarte. Von Flamingos immerhin droht ihm keine Gefahr. Die waten ein paar Kilometer entfernt bei der Stadt Ulcinj durch das seichte Wasser der dort stillgelegten Salinen.
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