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Wandern mit Caspar David Friedrich

Mit der Sonderausstellung »Heimatstadt« klingt in Greifswald das Jubiläumsjahr zum 250. Geburtstag des Malers aus

  • Oliver Gerhard
  • Lesedauer: 6 Min.
Die Klosterruine Eldena in Wieck bei Greifswald gehörte zu den Lieblingsmotiven von Caspar David Friedrich.
Die Klosterruine Eldena in Wieck bei Greifswald gehörte zu den Lieblingsmotiven von Caspar David Friedrich.

Nebel liegt über den Weiden, einsam steht ein Heuwagen auf der Wiese. Eine alte Badewanne dient den Kühen, die hier friedlich grasen, als Tränke. In der Ferne erhebt sich die Greifswald mit seinen charakteristischen Türmen: Marienkirche, Rathausgiebel, Dom Sankt Nikolai und Sankt Jakobi. Darüber wölbt sich ein unermesslich weiter Himmel.

Seitdem Caspar David Friedrich seine Geburtsstadt in dem Gemälde »Wiesen bei Greifswald« verewigte, hat sich an der Szenerie von einst kaum etwas verändert – fast fühlt man sich wie in einem lebendig gewordenen Kunstwerk. Natürlich sind die Windmühlen verschwunden, die damals das Stadtbild prägten, die Vegetation ist dichter und einige Neubauten verraten, dass man sich in der Moderne befindet.

»Eigentlich müsste das Gemälde ›Moore bei Greifswald‹ heißen«, sagt Susanne Papenfuß. »Die Stadt war zu Friedrichs Zeiten von viel Wasser umgeben.« Die Kunsthistorikerin hat sich viele Jahre intensiv mit Leben und Werk des wohl berühmtesten Vertreters der Romantik beschäftigt und das Jubiläumsjahr zu seinem 250. Geburtstag als Fachreferentin mit vorbereitet.

Kaum ein Ort in Greifswald ist nicht mit einem der Gemälde oder Zeichnungen Friedrichs verbunden. Am 5. September 1774 in der Langen Straße geboren, verbrachte er hier nicht nur seine Kindheit und Jugend, sondern kehrte auch später mehrfach zurück. »Die Wiesen sind für mich eines seiner freundlichsten Bilder«, sagt Papenfuß. »Eine Hommage an seine Heimat, mit witzigen Elementen wie dem ungestümen Pferd – ich habe das Gefühl, dass er dabei den Schalk im Nacken hatte.«

Selten habe er seine Motive so originalgetreu wiedergegeben wie hier: »Meistens kombinierte er wie ein Zauberer Skizzen miteinander, wie es für ihn passte.« Dabei wurden dann Kirchen zu Ruinen oder standen auf einmal an einem anderen Ort. »Doch immer wirkt bei ihm alles ausgewogen, nichts ist schief oder verdreht – und sobald man eine Kleinigkeit wegnimmt, kippt alles«, schwärmt Papenfuß.

Leihgaben aus Berlin und Hamburg

Das Originalgemälde »Wiesen bei Greifswald«, das sonst in der Hamburger Kunsthalle hängt, und der »Greifswalder Hafen« aus der Alten Nationalgalerie in Berlin sind die zwei bekanntesten Gemälde, die bis 5. Januar in einer neuen Sonderausstellung unter dem Titel »Heimatstadt« im Pommerschen Landesmuseum gezeigt werden – zusammen mit zeichnerischen Vorarbeiten, Stadtansichten seiner Zeitgenossen und einer Auseinandersetzung der Künstlerin Cindy Schmid mit den »Wiesen«.

Anlässlich des Jubiläumsjahres zum 250. Geburtstag von Friedrich hat die Hansestadt ein gigantisches Programm mit über 500 Veranstaltungen aufgelegt – 135 alleine im letzten Quartal. Weitere Highlights zum Ausklang sind eine Ausstellung des Digitalkünstlers Hiroyuki Masuyama, der sich von Friedrichs Wanderrouten inspirieren ließ, sowie eine Schau mit Arbeiten der diesjährigen CDF-Preisträgerin Ida Raselli aus Kopenhagen.

Neben den Ausstellungen kann man auch in der Stadt selbst in Friedrichs Wirkungsstätten und Lieblingsmotive eintauchen: Der Aussichtspunkt auf die Wiesen liegt am westlichen Ende des Caspar-David-Friedrich-Bildwegs mit 15 Stationen. Auch der Maler selbst ließ bekanntlich die Kutsche lieber stehen und suchte seine Motive stattdessen zu Fuß, mit einem Skizzenblock im Gepäck.

Auch frühe Zeichnungen ausgestellt

Die Route beginnt an seinem Elternhaus, heute Sitz des Caspar-David-Friedrich-Zentrums. In dem Gebäude blieben Teile der väterlichen Seifensiederei und Kerzenwerkstatt erhalten: Gießtische, eiserne Kerzenformen und riesige Kessel zum Kochen des Talgs – der Gestank soll damals bestialisch gewesen sein. Man staunt über die frühen Zeichnungen des Künstlers, die noch recht unproportioniert wirken. »Irgendwie beruhigend, dass auch ein Genie nicht vom Himmel fällt«, sagt die Museumsführerin lachend.

Tipps
  • Anreise: Mit der Bahn aus Richtung Berlin direkt mit dem RE3, aus Richtung Hamburg mit Umsteigen in Rostock oder Stralsund, mit dem Auto über die A20. Leih-Fahrräder gibt es vor Ort an gut 30 Stationen über die App von Stadtrad Greifswald (stadtrad-greifswald.de).
  • Touren: Am Caspar-David-Friedrich-Bildweg reihen sich 15 Stationen aneinander. Startpunkt ist das Geburtshaus in der Langen Straße 57. Es gibt geführte Touren zu Fuß und mit dem Rad, z. B. die Jubiläumsführung inkl. Eintritt in Geburtshaus und Landesmuseum. Zweistündige Ausflugsfahrten Richtung Greifswalder Bodden veranstaltet die Vorpommersche Schifffahrtsgesellschaft (vsg-reederei.de).
  • Unterkunft: Das moderne Hotel Utkiek liegt direkt an der Mündung des Ryck (hotel-utkiek-greifswald.de). Ein Dutzend Künstler hat die Zimmer im Hotel Galerie am historischen Markt dekoriert (hotelgalerie.de).
  • Veranstaltungen: Weitere Infos über das Friedrich-Jahr und Veranstaltungen findet man unter greifswald.info, caspar-david-friedrich-greifswald.de und caspardavid250.de sowie pommersches-landesmuseum.de

    Nicht weit entfernt liegt der historische Markt, auf dem regelmäßig geführte Touren auf den Bildweg starten – zum Beispiel mit Sabine Lindquist, die man schon von weitem an ihrer blauen Haube erkennt. Die Stadtführerin ist seit langem ein Fan des Romantikers: »Als ich seine Gemälde in meiner Kindheit zum ersten Mal sah, haben sie mich wahnsinnig berührt. Und dieses Gefühl versuche ich auch meinen Gästen zu vermitteln.«

    Den Marktplatz verewigte Friedrich in einem Aquarell und integrierte dabei auch Mitglieder seiner Familie: »Er war ein ausgeprägter Familienmensch«, sagt Lindquist. Während seiner Zeit in Dresden, seinem späteren Lebensmittelpunkt, gab es nicht nur einen regen Briefwechsel: Auch Heringe oder Pelzmäntel reisten damals schon mal nach Dresden – und Gänsebraten im Gegenzug nach Greifswald.

    Markante Silhouette Greifswalds

    Die Stadtführerin zeigt die markanten Backsteinkirchen, die der Maler in Skizzen und Gemälden von verschiedenen Standorten rund um die Stadt wiedergab. Die Einheimischen nennen diesen Wechsel der Konstellationen das »Kirchenballett«. Eine besondere Hommage ist im Dom St. Nikolai, in dem Friedrich getauft wurde, zu sehen: Der isländische Installationskünstler Ólafur Elíasson hat sich für die Gestaltung der neuen Glasfenster intensiv mit Friedrichs Farbenspiel beschäftigt – sie fangen das Licht aus dem Osten ein, verstärkt durch zusätzliche Spiegel.

    Ein weiteres Motiv des Romantikers war der Greifswalder Hafen, wo auch heute noch bis zu 50 Traditionssegler, Kutter und Schlepper ankern. Schautafeln erzählen im Museumshafen die Geschichte der »Sir Pitschek«, »Lilleholm« und »Seebiene«. Friedrich zeichnete die Schiffe bei seinen Besuchen aus etlichen Perspektiven: Vorlagen für spätere Gemälde.

    Auf einer Wanderung rund um die Hansestadt kann man die fast unveränderte Szenerie von Caspar David Friedrichs Gemälde »Wiesen bei Greifswald« entdecken.
    Auf einer Wanderung rund um die Hansestadt kann man die fast unveränderte Szenerie von Caspar David Friedrichs Gemälde »Wiesen bei Greifswald« entdecken.

    Von hier aus legen regelmäßig Ausflugsschiffe in Richtung Greifswalder Bodden ab: Die 110 Jahre alte MS Breege tuckert auf dem Fluss Ryck durch ein Schilfmeer – Heimat von Schwarzstorch, Silberreiher und Seeadler. Originell ist die Haifischbar am Bug mit winzigen Bullaugen und Ölschinken an den Wänden. Unterwegs geht es durch eine hölzerne Klappbrücke von 1887, die noch per Hand geöffnet wird.

    Doch man kann auch auf dem ehemaligen Treidelweg bis zum Bodden laufen. Auf dem Wasser sind Kanuten unterwegs, an Land Radler und Jogger. Alle fünfzig Meter steht stoisch ein Angler. Im Fischerdorf Wiek schleichen Katzen über das Kopfsteinpflaster zwischen den reetgedeckten Fischerhäusern, aus den üppigen Obstgärten dringt lautes Gurren und Zwitschern.

    Ausguck der Fischerfamilien

    Dann ist die Landspitze am »Utkiek« erreicht, an dem die Familien des Dorfes einst oft die Rückkehr der Fischer erwarteten. Wo heute ein großes Sperrwerk vor Sturmfluten schützt, staute sich damals das Wasser bis in die Stadt. Und wo sich im Sommer die Familien im Strandbad treffen, wird zu Friedrichs Zeiten niemand gebadet haben – eines seiner Werke nannte er »Sumpfiger Strand«.

    Das Lieblingsmotiv des Romantikers liegt nun nur noch einen Steinwurf entfernt: Die mystische Stimmung und der morbide Charme, die er in der Klosterruine Eldena aus dem 12. Jahrhundert einfing, prägen die Anlage mit ihren flechtenbewachsenen Mauern und bröckelnden Backsteinen bis heute. Der Wind rauscht in den Wipfeln der mächtigen Eichen, die einst als Ersatz für die fehlenden Pfeiler des Mittelschiffs gepflanzt wurden.

    Zu Friedrichs Zeiten müssen hier Tagelöhnerkaten und eine Köhlerhütte gestanden haben – sie finden sich in einigen seiner Werke wieder. Doch gerade in Eldena ließ der Künstler seiner Kreativität freien Lauf: Er malte das Kloster bei Tag und bei Nacht, im Winter und im Sommer. Einmal versetzte er es sogar ins Riesengebirge, indem er Skizzen kombinierte. Schließlich wollte er nicht nur besondere Orte einfangen, sondern auch die Stimmungen und Gefühle dahinter – eine Sehnsucht nach Ursprünglichkeit und Natur, die heute aktueller ist denn je.

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