Schnitte in die grüne Lunge

Der Verlust des globalen Regenwaldes ist enorm: Jährlich verschwinden 4,1 Millionen Hektar

  • Sandra Kirchner
  • Lesedauer: 4 Min.

Tropische Urwälder sind weiterhin von Vernichtung bedroht. Im »Global Forest Review« (Weltweiter Waldbericht), der am Dienstag veröffentlicht wurde, heißt es, dass im vergangenen Jahr weltweit rund 4,1 Millionen Hektar tropischer Regenwald abgeholzt worden oder Waldbränden zum Opfer gefallen seien. Das entspricht in etwa der gesamten Fläche der Schweiz. Für den Bericht haben Forscher*innen der University of Maryland (USA) Satellitendaten sowie zusätzliche Analysen der Organisation Global Forest Watch ausgewertet.

»Wir verlieren eines unserer wirksamsten Instrumente zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Sicherung der biologischen Vielfalt«, sagte Mikaela Weisse, die als Leiterin von Global Forest Watch am jährlichen Bericht zur Waldzerstörung mitgearbeitet hat, bei dessen Vorstellung. Urwälder gelten als besonders artenreich. Expert*innen schätzen, dass sie 50 bis 75 Prozent aller Pflanzen- und Tierarten der Welt beheimaten. Sie binden zudem besonders viel Kohlendioxid. Allein der Waldverlust des vergangenen Jahres verursachte daher einen Ausstoß von 2,7 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent. Dies entspricht den jährlichen Emissionen Indiens.

Die Waldzerstörung steht im Widerspruch zu internationalen Versprechen. Im November 2021 hatten sich 140 Staats- und Regierungschefs auf dem Klimagipfel in Glasgow dazu verpflichtet, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen. Mittlerweile haben vier weitere Länder die Glasgower Erklärung zu Wäldern und Landnutzung unterzeichnet. Mehr als 90 Prozent der Wälder weltweit fallen unter diese Zusage. »Die unumstrittene Botschaft der Erklärung von Glasgow ist, dass der Schutz der Wälder entscheidend für das Erreichen der globalen Klimaziele ist«, sagte Rod Taylor vom World Resources Institute. Eigentlich müsse der Waldverlust jedes Jahr um rund 10 Prozent zurückgehen, der Trend gehe aber leider in die entgegengesetzte Richtung.

Besonders viel Wald ging im vergangenen Jahr in Brasilien verloren. Dort schrumpfte der Urwald um 1,8 Millionen Hektar. Nur 2016 und 2017 wurde dort noch mehr Wald vernichtet. Die Zerstörung von Urwäldern setzte in Brasilien zweieinhalbmal mehr CO2-frei als das Verbrennen fossiler Ressourcen wie Öl und Gas. »Vor allem im Amazonas-Regenwald nahm die Waldzerstörung zu«, erklärte Weisse. Entlang bestehender Straßen seien Viehweiden entstanden. Auch für den Bergbau wurde Wald zerstört.

In der Demokratischen Republik Kongo verschwand im vergangenen Jahr ebenfalls viel Wald: Dort war es etwa eine halbe Million Hektar. Armut ist in dem zentralafrikanischen Land weit verbreitet, häufig wird Wald für kleinbäuerliche Landwirtschaft gerodet. Kleinteilige Urwaldflächen werden für den kurzzeitigen Anbau von Nutzpflanzen zerstört und liegen anschließend häufig brach. Auch für die Produktion von Holzkohle, die vorherrschende Energiequelle in der Region, wird Wald abgeholzt. Zwar hat sich die kongolesische Regierung dazu verpflichtet, bestehende Waldschutzgebiete zu erhalten. Doch unlängst wurden wieder Genehmigungen zur Erkundung von Öl- und Gasreserven versteigert. Die Expert*innen von Global Forest Watch befürchten, dass die Regierung ihr Moratorium für neue Abholzungsrechte aufheben könnte.

Während auf die beiden Länder mehr als die Hälfte des gesamten globalen Waldverlusts im vergangenen Jahr entfiel, war er in mehreren Ländern Südostasiens rückläufig. So gelang es Indonesien in den vergangenen Jahren wie keinem anderen Land, die Zerstörung von Wäldern stark zu verringern. Das lag auch daran, dass die indonesische Regierung keine neuen Abholzungskonzessionen für Urwälder vergab sowie die Einhaltung bestehender Auflagen besser kontrollierte und durchsetzte. Möglichkeiten zur Vermeidung und zur Beobachtung von Waldbränden wurden ebenfalls ausgeweitet. Unternehmen wie Palmölproduzenten verpflichteten sich – teils freiwillig, teils durch staatliche Vorgaben –, weniger Urwald zu zerstören. Auch in Malaysia trugen Maßnahmen der Regierung und von Unternehmen dazu bei, den Verlust tropischer Regenwälder zu verringern.

Trotz des gestiegenen Verlusts tropischer Urwälder wurden 2022 weltweit 10 Prozent weniger Wald vernichtet als im Jahr zuvor. Ursache für den Rückgang waren deutlich weniger Brände in Russlands borealen Wäldern. Der Waldverlust in Russland ging um mehr als ein Drittel auf 4,3 Millionen Hektar zurück. Dort waren 2021 so viele Wälder verbrannt wie nie zuvor.

Die leicht rückläufige Tendenz bei der Waldzerstörung sei also keineswegs auf menschliches Handeln zurückzuführen, warnen die Autor*innen des Berichts. Der Weltklimarat IPCC hatte in seinem jüngsten Sachstandsbericht darauf hingewiesen, dass die Zerstörung von Wäldern gestoppt werden müsse, wenn die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden soll.

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