- Politik
- Ölförderung in Ecuador
»Ein Sieg für Ecuadors Demokratie«
Der Umweltaktivist Pedro Bermeo über das Referendum zur Erdölförderung im Nationalpark Yasuní
Am 9. Mai hat das Verfassungsgericht Ecuadors grünes Licht für ein Referendum gegeben, das die soziale Bewegung Yasunidos beantragt hat. Die schlichte Frage lautet: »Sind Sie damit einverstanden, dass die ecuadorianische Regierung das ITT-Rohöl, bekannt als Block 43, dauerhaft im Boden belässt?« Diese Frage dürfen die Wähler*innen nun nach zehnjährigen juristischen Konflikten bei den Präsidentschaftswahlen am 20. August beantworten. Ein Meilenstein?
Ja, aber eines vorweg: Wir haben, nachdem wir 2013 für das Referendum die nötigen Unterschriften gesammelt hatten, nicht auf die Entscheidung des Gerichts gewartet, sondern immer wieder auf der Durchführung beharrt, für das Referendum gekämpft. Drei Regierungen haben ihr Möglichstes getan, um das Referendum zu verhindern, aber wir haben letztlich einen ersten Etappensieg errungen. Das ist das erste Referendum, das von unten initiiert und durchgesetzt wurde und für die Regierung verbindliche Folgen hat – von der Bevölkerung in einem basisdemokratischen Prozess! Wenn wir dieses Referendum gewinnen, dann muss die Förderung von Erdöl im Bloque 43 im Yasuní-Nationalpark, dem an Biodiversität reichsten Schutzgebiet der Welt, gestoppt werden.
Welche Relevanz hat dieses Referendum?
Das ist ein Sieg der Demokratie, für die Menschenrechte der indigenen Völker, die dort ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt leben, und es ist ein Sieg für die Umweltrechte, den Schutz der Natur.
Mehr als zehn Jahre haben die Yasunidos, ein Netzwerk engagierter Umweltaktivist*innen, sich für die Verteidigung dieses Parks engagiert – was ist die Quelle dieses Durchhaltevermögens?
Die Verteidigung des Lebens, die Verteidigung demokratischer Grundrechte, aber auch der persönliche Kontakt mit indigenen Völkern, die an, um und auch in dem Naturpark leben. Dieser Park hat eine Bedeutung weit über die Grenzen von Ecuador hinaus.
Die Regierung behauptet, dass das Land jedes Jahr rund 1,2 Milliarden US-Dollar an Einnahmen verlieren wird, falls das Referendum Erfolg haben sollte? Stimmen die Zahlen?
Diese Zahlen sind falsch. Die Regierung hat diese Angaben dem Verfassungsgericht übermittelt, aber es sind aufgebauschte Zahlen, wie aus den Statistiken des nationalen Erdöl-Unternehmens »Petro Ecuador« hervorgeht. Demnach sind es im Jahresdurchschnitt 147 Millionen US-Dollar. Zudem wird diese Summe wie ein Reingewinn für das Land deklariert, obwohl für die Förderung hohe Summen ausgegeben werden.
Linkssein ist kompliziert. Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen. Jetzt abonnieren!
Das sind wenig mehr als zehn Prozent der angegebenen Summe – was für eine Diskrepanz. Macht die Regierung von Guillermo Lasso Stimmung gegen das Referendum?
Ja, natürlich. Diese Zahlen stammen nicht von uns, von den Yasunidos oder Pedro Bermeo – nein, sie stammen vom zuständigen Ministerium und dem Erdölförderunternehmen Ecuadors, Petro Ecuador. Sie sind am Schreibtisch erhoben worden: eine optimistische Förderquote mal Weltmarktpreis mal 365 Tage im Jahr – ohne zu berücksichtigen, dass für die Förderung, aber auch für den Transport Kosten anfallen, dass nicht 365 Tage am Tag gefördert wird, und ohne die Folgeschäden zu beachten. Wir beziehen uns bei unseren Berechnungen und Analysen immer auf die offiziellen Zahlen der Zentralbank Ecuadors – das lässt sich alles nachrechnen.
Gibt es Umweltschäden, Kontamination, gebrochene Pipelines in und um den Yasuní-Nationalpark?
Ja, leider. Allein im Bloque 43 hat es seit 2016 nicht weniger als 22 Pipeline-Brüche mit gravierenden Verschmutzungen gegeben. Das sind offizielle Zahlen. Nur wenige profitieren von der Förderung, die den Lebensraum indigener Völker, die in Isolation leben und leben wollen, nachhaltig zerstört. Die Regionen, wo Erdöl gefördert wird, gehören zu den ärmsten Ecuadors – dort kommt von dem Reichtum nichts an. Auch das lässt sich mit offiziellen Statistiken belegen.
Der 20. August könnte zu einem Meilenstein in einer sehr schwierigen Situation werden: An diesem Tag soll auch ein neuer Präsident gewählt werden. Ecuador befindet sich in einer gravierenden politischen, ökonomischen, aber auch in einer Sicherheitskrise mit vielen Morden und Gewalttaten der Drogenkartelle. Wie beurteilen Sie die Situation?
Aus zweierlei Perspektive: Das Referendum könnte dazu führen, dass erstmals ein Plebiszit eine Regierung verpflichtet, Erdöl im Boden zu belassen. Das könnte weltweit Signalcharakter haben und weitreichende Effekte. Wir haben es geschafft, die Politik durch die Nutzung unserer Verfassungsrechte zu umgehen; wir sind ein Beispiel für einen politischen Bypass, und das ist auch in anderen Ländern denkbar. Hinzu kommt, dass das Gros der indigenen Gemeinschaft Ecuadors das Referendum unterstützt. Allerdings ist die indigene Bewegung mit dem Dachverband Conaie und dem politischen Arm der Partei Pachakutik nicht geeint, sondern zerstritten. Das ist nicht zum ersten Mal der Fall, aber in der derzeitigen Situation ein Problem – für die Wahlen und für das Referendum.
Sie sind ein Verfechter basisdemokratischer Entwicklungen. Gibt es den Ausweg aus der vielschichtigen Krise? Glaubwürdige Parteien mit einer Umweltagenda?
Wir als Yasunidos warten nicht auf einen charismatischen Anführer, wir setzen auf eine mündige Bevölkerung.
Pedro Bermeo ist Sprecher der Organisation Yasunidos. Der 31-Jährige ist Rechtsanwalt, Umweltaktivist und überzeugter Verfechter von mehr Basisdemokratie in Ecuador.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.