Verkehr in Berlin: Viel Lärm um ruhige Straßen

Friedrichshain-Kreuzberg beschließt ein Verkehrskonzept für mehr Sicherheit. Dafür ist er allerdings auf Geld vom Senat angewiesen

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Debatte um die Mobilitätswende reißt nicht ab, seit Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) angekündigt hatte, sämtliche Radwegeprojekte der Bezirke noch einmal überprüfen zu wollen. Nun hat der von den Grünen dominierte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als erster in Berlin ein flächendeckendes Konzept zur Verkehrsberuhigung beschlossen. Titel: »Xhain beruhigt sich«.

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Timur Husein, Kreischef der CDU Friedrichshain-Kreuzberg und Mitglied des Abgeordnetenhauses, spricht etwa von einer »Trotzreaktion der Grünen, die es nicht aushalten können, dass sie aus dem Senat rausgeflogen sind«. Deshalb versuche die Partei nun, »die Verkehrswende auf Bezirksebene durchzusetzen«.

Dabei haben der Radwegestopp der CDU-Senatsverkehrsverwaltung und das Verkehrskonzept des Bezirks eigentlich nichts miteinander zu tun. Ersterer gelte wohl nur für Hauptstraßen, die in der Verantwortung des Senats lägen, letzteres betreffe Nebenstraßen, über die die Bezirke entscheiden könnten, sagt die zuständige Bezirksstadträtin Annika Gerold (Grüne) zu »nd«.

Außerdem sei die Verkehrsberuhigung schon sehr lange in Planung. Die Verkehrswende werde nun einmal in den Bezirken gemacht, sagt Gerold. »Und wir lassen uns nicht aufhalten.« Tatsächlich stellen die Grünen mehr Verkehrsstadträt*innen in Berlin als alle anderen Parteien. Auch gehe es in dem Konzept weniger um Radwege, sondern darum, den Autoverkehr in Durchgangsstraßen einzudämmen, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. »Die Schulwegsicherheit ist ein wesentlicher Aspekt«, sagt Gerold. Damit hofft sie, auch die CDU-Senatorin überzeugen zu können, denn hinsichtlich der Finanzierung ist der Bezirk auf den Senat angewiesen.

Insgesamt würden für das Konzept nach aktueller Kalkulation fünf Millionen Euro benötigt. »Die Senatorin hat mehrfach gesagt, dass ihr Sicherheit am Herzen liegt«, sagt Gerold zu möglichen Widerständen aus Schreiners Verwaltung. Denn in der Praxis hängt alles davon ab, ob der Senat Geld springen lässt, und wenn ja, wie viel. Deshalb ist auch unklar, wie lange die Umsetzung dauert.

Gerold ist wichtig, dass die Zivilgesellschaft an der Planung intensiv beteiligt wurde. Zahlreiche Anträge von Einwohner*innen und Initiativen seien eingeflossen, weitere Beteiligungsformate sollen folgen. Zudem beruhe das Konzept auf objektiven Kriterien wie denen des Umweltgerechtigkeitsatlas, der Belastungen durch Hitze, Luftschadstoffe oder Lärm identifiziert.

Begonnen werden soll mit der Umsetzung daher im besonders belasteten Friedrichshainer Südkiez. Die Mittelzusage für die Erstellung einer Machbarkeitsuntersuchung in diesem Bereich gebe es schon. Noch größer wäre der Bedarf zwar am Kreuzberger Blücherplatz, aber da dieser nur von Hauptstraßen umgeben ist, sind dem Bezirk die Hände gebunden.

Insgesamt umfasst das Konzept »Xhain beruhigt sich« 280 Maßnahmen, darunter 27 Fußgänger*innenzonen, 52 Einbahnstraßen, 21 modale Filter – also Poller, zwischen denen Autos nicht hindurchfahren können – und 144 Querungshilfen wie Mittelinseln oder Zebrastreifen. Ein Problem: Neben dem Geld braucht der Bezirk dafür auch mehr Personal. Auch deswegen kann sich die Umsetzung hinziehen.

Schneller ginge es durch eine Reform der Straßenverkehrsordnung. Bislang setzt eine Anordnung von Maßnahmen eine konkrete Gefährdungslage voraus. »Klima- und Umweltschutz sollten einen stärkeren Fokus bekommen und nicht nur die Maxime des fließenden Kfz-Verkehrs«, sagt Gerold.

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