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EU-Mercosur-Abkommen: Nicht auf Europa angewiesen
Brasilien weist EU-Bedingungen zu Umwelt, Klima und Menschenrechten für den Freihandelsvertrag mit dem Mercosur-Wirtschaftsraum zurück
Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Mitte Juni nach Brasilien reiste, hatte sie viele warme Worte im Gepäck: »Präsident Lula, Sie haben Brasilien dorthin zurückgebracht, wo es als wichtiger Global Player, als Anführer in der demokratischen Welt, hingehört.« Der Besuch aus Brüssel war Teil einer Charmeoffensive mit einem klaren Ziel: für das EU-Mercosur-Abkommen zu werben.
Seit dem Abschluss der Verhandlungen 2019 liegt das Freihandelsabkommen auf Eis – vor allem wegen der Umweltbilanz des vorherigen Amtsinhabers Jair Bolsonaro. Mit dem neuen Präsidenten Brasiliens, dem Sozialdemokraten Luiz Inácio »Lula« da Silva, gibt es Hoffnung auf eine schnelle Ratifizierung, bestenfalls noch in diesem Jahr. »Das Abkommen wird große Vorteile für beide Seiten bringen. Es ist mehr als nur ein Freihandelsabkommen – es ist eine Plattform für Dialog«, verkündete von der Leyen und sagte, die Verhandlungen befänden sich nahe der »Ziellinie«. Doch stimmt das wirklich?
Die EU hat vor mehr als 20 Jahren die Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten – Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay – begonnen. Der Vertrag würde die größte Freihandelszone der Welt mit 780 Millionen Menschen schaffen. Es sollen Zölle abgebaut und der Handel ankurbelt werden. Das Abkommen muss von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, doch sowohl in Südamerika als auch in Europa (siehe Interview) gibt es große Kritik.
Gerade die Aufweichung von Arbeits- oder Umweltstandards bereitet einigen EU-Staaten Bauchschmerzen. Denn das geplante Abkommen könnte dafür sorgen, dass die EU von den Mercosur-Staaten noch mehr billiges Rindfleisch und Soja im Tausch gegen Pestizide, Verbrennerfahrzeuge und Autoteile bekommt. »Die geförderten Produkte stehen oft in direktem Zusammenhang mit Naturzerstörung, der Klimakrise, dem Verlust der Artenvielfalt und/oder der Bedrohung menschlicher Gesundheit«, kritisiert die Umweltorganisation Greenpeace, die seit vielen Jahren gegen den »Giftvertrag« mobilisiert.
Brasiliens Präsident Lula kritisiert hingegen, zu hohe Umweltauflagen könnten schädlich für brasilianische Exporte sein. Ebenfalls ein Streitpunkt: die Zusatzerklärung für striktere Umweltstandards, die von der EU nach Kritik nachgelegt wurde. »Diese erhöht die Verpflichtungen Brasiliens und sieht bei Nichteinhaltung Sanktionen vor«, sagte Lula. »Die Grundlage zwischen strategischen Partnern sollte gegenseitiges Vertrauen sein, nicht Misstrauen und Sanktionen.« Auch sieht Lula eine Klausel kritisch, die es europäischen Unternehmen leichter machen könnte, Verkäufe im öffentlichen Sektor Brasiliens zu tätigen. Ohne Anpassungen werde Brasilien das Handelsabkommen nicht unterzeichnen, stellte Brasiliens Präsident klar.
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Für die EU ist das Abkommen auch aufgrund der veränderten geopolitischen Lage wichtig: Statt Russland könnte Südamerika verstärkt als Energie- und Nahrungsmittellieferant auftreten. Außerdem befürchten viele in der EU eine zu enge Anbindung des Subkontinents an China. Ob das Abkommen das allerdings verhindern kann, ist fraglich. China ist bereits seit 2009 Brasiliens wichtigster Handelspartner. Bei einem Lula-Besuch in Peking im April wurden zahlreiche bilaterale Abkommen geschlossen.
Auch von der Leyen erkannte bei ihrer Reise an, dass es noch einige »Hindernisse« für die Ratifizierung des Handelsabkommens zu überwinden gebe. Die Verhandlungspartner der EU und des Mercosur wollten sich eigentlich am 29. und 30. Juni in Buenos Aires treffen, doch auf Druck Brasiliens hin findet nun lediglich ein Online-Meeting statt. Und am kommenden Montag und Dienstag berät ein Mercosur-Gipfel in der argentinischen Stadt Puerto Iguazú über einen Gegenvorschlag zum Zusatzprotokoll aus Brüssel.
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