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Sparvorgaben: Berlin bleibt dreckig
Doppelhaushalt 2024/2025: Bezirke fürchten massive Auswirkungen auf ihre Arbeit
Die Liste aus dem Bezirksamt Neukölln liest sich wie ein ferner Gruß aus den rot-roten Sparen-bis-es-qietscht-Zeiten: 2024 und 2025 werde man die Tagesreinigung an den Schulen streichen, die Mittel für die Obdachlosenhilfe müssten gekürzt und Wasserspielplätze dichtgemacht werden, die Müllentsorgung in den Grünanlagen werde halbiert, frei werdende Stellen in der Verwaltung würden nicht nachbesetzt – und das ist nur ein Teil der in Neukölln beschlossenen Sparmaßnahmen.
Begründet wird das angekündigte Sozial-Harakiri mit den aktuellen Zuweisungen der Senatsfinanzverwaltung für die Bezirkshaushalte der kommenden zwei Jahre. Dem Bezirksamt zufolge fehlen in Neukölln – Stand jetzt – »für die Haushaltsjahre 2024/2025 pro Jahr 22,8 Millionen Euro, um den Status quo zu halten«. Da ein Großteil der vom Land zur Verfügung gestellten Mittel durch gesetzliche Pflichtleistungen und »zentrale Vorgaben« gebunden sei, sehe man sich gezwungen, an anderer Stelle zu sparen.
»Die Finanzplanungen des Senats werden auf viele Jahre die soziale Infrastruktur in Neukölln zerstören«, warnt Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) eindringlich. Man werde damit leben können, dass sich auf der bezirksinternen Liste des Grauens auch das Aus für den Alt-Rixdorfer Weihnachtsmarkt findet. »Aber wenn die aufsuchende Drogensozialarbeit oder die Obdachlosenhilfe wegfällt, ist das nicht kurzfristig und schon gar nicht langfristig zu verkraften«, so Hikel.
Und nicht nur Neukölln schlägt Alarm und verweist darauf, dass das Haus von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) bei den Mittelzuweisungen an die Bezirke »strukturell zu geringe Werte veranschlagt« habe, wie es in einem bereits vor einer Woche von allen zwölf Bezirksbürgermeisterinnen- und -bürgermeistern unterzeichneten Brandbrief heißt.
Ein Hauptproblem: Bei der Ermittlung der maximalen Höhe der den Bezirken zur Verfügung stehenden Mittel »wurden inflationsbedingte Kostensteigerungen mit nur zwei Prozent anerkannt, obwohl die tatsächliche Inflationsrate bei rund zehn Prozent liegt«, so die Rathauschefs von SPD und Grünen bis zur CDU in ihrem Schreiben an Evers und den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner.
»Berlin hat auch Probleme«, hatte der CDU-Senatschef Ende Mai in seiner Regierungserklärung gesagt. Folgt man den Bezirken, dann dürften die Probleme künftig noch weitaus größer werden. »Wir sprechen hier von drastischen Einsparmaßnahmen, und zwar in allen zwölf Bezirken«, sagt Friedrichshain-Kreuzbergs Bürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) zum nd-Morgennewsletter »Muckefuck«.
Wie in Neukölln müsste auch in ihrem Bezirk sowohl im Sozial- und Schulbereich als auch bei den Verwaltungsdienstleistungen der Rotstift angesetzt werden. Und ja, auch für Friedrichshain-Kreuzberg würden die Pläne bedeuteten, »dass unsere Grünanlagen weniger gereinigt werden können und es damit noch dreckiger wird, um das mal so deutlich zu sagen«, so die Bezirkschefin.
In Friedrichshain-Kreuzberg würden Evers’ Pläne dazu führen, dass man rund 20 Millionen Euro einsparen müsste, sagt Herrmann – um dann die Gesamtdimension deutlich zu machen: »Zur Aufrechterhaltung des Angebots brauchen alle Bezirke zusammen 250 Millionen Euro zusätzlich im Budget.«
Den selbst gesteckten Anspruch, Berlin werde »endlich wieder funktionieren« und jeder bekomme in 14 Tagen einen Termin beim Bürgeramt, könne sich der Senat dann auch gleich sparen. Herrmann jedenfalls will nicht ausschließen, »dass es dazu kommt, dass wir das Angebot nicht in dem bekannten Terminumfang aufrechterhalten können«.
Finanzsenator Evers selbst hatte nach einem Treffen mit den Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeistern am vergangenen Donnerstag eine »Zeitenwende in der Haushaltspolitik« ausgerufen. »An der Haushaltslage gibt es nichts schönzureden, sie ist und bleibt angespannt. Das bedeutet, dass wir alle Prioritäten setzen müssen«, teilt Evers auf nd-Nachfrage mit. Die »engen finanziellen Rahmenbedingungen« beträfen daher auch Senat und Bezirke gleichermaßen.
Klar ist: Nach der Ankündigung aus Neukölln ist die Aufregung enorm, zur Empörungswelle über das Radwege-Moratorium des Senats kommt nun eine weitere hinzu.
Tatsächlich ist der Landeshaushalt für die Jahre 2024 und 2025 mit den etwaigen Zumutungen für die Bezirke nicht annähernd in trockenen Tüchern. Der schwarz-rote Senat will den ersten Entwurf zwar Mitte Juli beschließen, doch dann folgt schon die Sommerpause. Erst danach gehen die Etatberatungen im Abgeordnetenhaus los. Und spätestens in dieser Phase kann sich – wie in der Vergangenheit – noch mal sehr viel verschieben. Vermutlich im Herbst wird der Doppelhaushalt vom Parlament beschlossen.
So betrachtet handelt es sich bei dem jetzt in Neukölln präsentierten bezirklichen »Eckwertebeschluss« für die kommenden zwei Jahre nebst der Aufzählung des drohenden Streichkonzerts wohl in erster Linie um eine Art Hilferuf. Tenor: All das kommt auf die öffentliche Infrastruktur in den Bezirken zu, wenn Finanzsenator Evers bei seinen vorgesehenen Mittelzuweisungen bleibt.
Das weiß man auch in den Bezirken. »So lange die Haushalte noch nicht beschlossen sind, gibt es noch Spielraum«, sagt etwa Carla Aßmann, die Linksfraktionschefin in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln, zu »nd«. Umso wichtiger sei es, dass man auf die Notlage aufmerksam mache, auch mit lautstarken Kundgebungen, wie sie Die Linke für kommenden Mittwoch vor dem Rathaus Neukölln organisieren will.
Aßmann sagt: »Es geht auf gar keinen Fall, bei Sozialem zu sparen, bei den Kindern und Jugendlichen. Das sind die Schwächsten in unserer Gesellschaft, diejenigen, die am meisten auf die Unterstützung angewiesen sind.« Und die Linke-Politikerin kündigt bereits an: »Wenn der Senat die Kürzungen nicht schnell zurücknimmt, müssen wir den Protest natürlich auf ganz Berlin ausdehnen.«
Jetzt mal halblang, heißt es dazu aus der Finanzverwaltung. Stefan Evers werde »zeitnah« mit den Bezirken über die Unterfinanzierung sprechen. »Bereits nach jetzigem Stand ist aber klar, dass die den Bezirken vom Land zur Verfügung gestellten Mittel deutlich steigen werden«, sagt Evers’ Sprecherin zu »nd«, fügt aber hinzu: »Dass die aktuelle Haushaltssituation des Landes Berlin darüber hinaus kaum finanzielle Handlungsspielräume eröffnet, ist allerdings kein Geheimnis.«
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