- Wirtschaft und Umwelt
- Rüstungsindustrie
Rheinmetall vor Riesendeal
Das Geschäft mit der Ukraine läuft, doch hat Deutschlands Panzerschmiede größere Projekte
Der Rüstungskonzern Rheinmetall liefert weitere Schützenpanzer an die Ukraine. Im Auftrag der Bundesregierung sollten laut Unternehmen insgesamt 20 Panzer des Typs »Marder« auf den Weg gebracht werden. Das Auftragsvolumen liegt im unteren zweistelligen Millionenbereich. Die 20 von der Bundeswehr ausgemusterten Panzer standen im Frühjahr 2022, als Russland die Ukraine überfallen hatte, in den Rheinmetall-Werken in Kassel und Unterlöß auf dem Hof und wurden direkt nach Kriegsbeginn von Rheinmetall auf eigene Kosten für den Kriegseinsatz aufbereitet. Schnell witterten die Manager damals im Krieg ein gutes Geschäft für ihr Unternehmen. In diesem Frühjahr konnte man diese 20 »Marder« an Kiew übergeben. Damals hieß es, dass Rheinmetall weitere 60 »Marder« verfügbar machen und innerhalb eines halben Jahres ausliefern wolle.
Linkssein ist kompliziert. Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen. Jetzt abonnieren!
Auch im Bereich Kampfpanzer ist Rheinmetall aktiv. Der Rüstungskonzern liefert im kommenden Jahr zudem 14 »Leopard-2«-Kampfpanzer an die Ukraine. Darüber sei eine vertragliche Vereinbarung mit Vertretern der Bundesregierung und der beiden Auftraggeber – der Niederlande und Dänemarks – getroffen worden, teilte der Konzern mit. Die ersten dieser »Leos« sollen im Januar 2024 an die Ukraine ausgeliefert werden, die übrigen Fahrzeuge im Jahresverlauf. Es handelt sich um Fahrzeuge vom Typ 2A4, die Rheinmetall aus früheren Beständen verschiedener Nutzerstaaten übernommen hat. Hier spricht die Firmenzentrale von einem finanziellen Umfang, der ein niedriges dreistelliges Millionen-Euro-Volumen erreicht.
Beim Rüstungskonzern geht man offenbar von einem langandauernden Krieg in der Ukraine aus und will Kiew auf lange Sicht beliefern. Das schafft auch gute Voraussetzungen für die Zeit, sollte die Ukraine Nato-Mitglied werden.
Zwar sind die Erzeugnisse von Rheinmetall gefragt wie schon lange nicht mehr. Dennoch rutschte die Aktie des deutschen Rüstungskonzerns zuletzt ab. Nur noch 245,40 Euro war ein Wertpapier zu Wochenbeginn wert. Der Konzern visiert einen Preis um 310 Euro an und ist zuversichtlich, ihn auch zu erreichen. Denn: Am Montag waren die Befürchtungen rund um die Wagner-Revolte, die den Ukraine-Krieg möglicherweise hätte verkürzen können, längst abgeklungen. Der Krieg geht weiter und damit ist auch die Geschäftsgrundlage für Rheinmetall weiterhin sicher.
An der Börse macht sich somit auch niemand wirklich ernsthafte Sorgen um den Rüstungskonzern. Die Analysten sind sich sicher: Der Rüstungssektor in Europa wird sich – unabhängig vom Fortgang des Krieges im Osten – in den kommenden fünf bis zehn Jahren positiv entwickeln. Auch der Markt in Asien wird in den kommenden Jahren wohl wachsen und zu mehr Bestellungen für die Branche führen. Der derzeitige Rückschlag für Rheinmetall an der Börse scheint nun eine zusätzliche Kaufgelegenheit für Anleger zu sein, die sich an Militär und Krieg bereichern wollen.
Einen dauerhaften und steilen Anstieg seines Börsenkurses erhofft sich das Unternehmen ohnehin in einem anderen Sektor. Rheinmetall hofft auf einen Zuschlag für ein Programm, das »Optionally Manned Fighting Vehicle« (OMFV) heißt. Dabei handelt es sich um ein Nachfolgemodell für den US-Schützenpanzer »Bradley«. Davon hat die US-Armee derzeit 6000 Stück. Auch die Ukraine setzt diese Schützenpanzer ein, hat aber in kurzer Zeit knapp zwei Dutzend verloren.
Rheinmetall hat sich um den Auftrag für das OMFV beworben. Von einst fünf Anbietern sind noch zwei in der engeren Wahl des Pentagon. Es geht vorerst um 45 Milliarden US-Dollar. Da es sich beim OMFV um eine modulare Systemarchitektur handelt, lässt sich die Technik jederzeit modernisieren und erweitern. 2027 könnte ein Vertrag für die Produktion des »Bradley«-Nachfolgers erteilt werden, sagten Vertreter des US-Militärs. Zwei Jahre später wären die ersten Fahrzeuge kampfbereit.
Klappt der Deal, wird Rheinmetall zu einem globalen Riesen. Die großen Stückzahlen in der Produktion werden Banken anlocken, die üppige Kredite bereitstellen. Das ist dann ein ganz anderes Wirtschaften als mit den geringen Stückzahlen, die für die Bundeswehr oder Nato-Partner anfallen. Reparaturaufträge für Ukraine-Material versprechen auf lange Sicht ohnehin keinen lohnenden Gewinn.
Dieser Tage wurde zudem eine weitere Kooperationsmöglichkeit bekannt, die über den Atlantik reicht. Gemeinsam mit Lockheed Martin will Rheinmetall ein europäisches Mehrfachraketenstartsystem entwickeln. Grundlage wird das hochmobile Artilleriesystem M142 sein – besser bekannt als »Himars«. In der Ukraine leistet es bei der Bekämpfung russischer Hochwertziele bereits beste Dienste.
Die Neuentwicklung auf Basis aktueller Kampferfahrungen wurde von Howard Bromberg, Vizechef der Abteilung Luft- und Raketenabwehr bei Lockheed Martin, angekündigt. Man wolle die Waffe »GMARS« (G wie Germany) nennen. Sie soll das Mehrfachraketenwerfersystem »MARS II« ersetzen, mit dem das deutsche Militär derzeit ausgerüstet ist. Angesichts der Bedeutung, die weitreichende Artillerie- und Raketensysteme in der Ukraine erlangt haben, sieht auch die deutsche Armee Nachholbedarf. Die Bundeswehr braucht nach eigenen Aussagen Nachschub, denn sie verfügt, da sie fünf »MARS-II«-Systeme an die ukrainischen Streitkräfte abgegeben hat, nur noch über 34 eigene. Die neuen Raketensysteme werden voraussichtlich schon in zwei Jahren einsatzbereit sein. Zudem will Rheinmetall »GMARS« an andere europäische Länder verkaufen – gute Aussichten für den Rüstungskonzern.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.