Werbung

Humboldt-Forum: Ex-Finanzsenator fordert Ausstieg

Der Grünen-Abgeordnete Daniel Wesener möchte, dass sich das Land Berlin aus dem Museum im neuen Stadtschloss zurückzieht

Nach erneuter Kritik am Humboldt-Forum werden Rufe nach politischen Konsequenzen laut. Daniel Wesener, der Sprecher für Kulturfinanzierung der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, wird hier deutlich: »Ich bin an einem Punkt, an dem ich sage, das Land Berlin sollte sich da in der Tat zurückziehen«, sagt Wesener zum nd-Newsletter »Muckefuck«. Die vielen Akteure am Humboldt-Forum – die hauseigene Stiftung, das Land Berlin, der Förderverein, der Intendant – würden sich immer wieder gegenseitig blockieren. Der »Gemischtwarenladen« Humboldt-Forum, sagt Ex-Finanzsenator Wesener.

In der vergangenen Woche hatte das in der Stadtschloss-Attrappe ansässige Museum den Abbruch eines geplanten Kunstprojekts bekannt gegeben. Gegenstand der Aktion sollte ein an der Kuppel des Hauses angebrachtes Bibelzitat sein: »Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.« Ziel des Kunstprojekts war es, das Spruchband mittels LED-Technik zu überstrahlen und so die im Zitat geforderte Unterwerfung unter das Christentum kritisch zu hinterfragen. In seiner Begründung für den Abbruch beruft sich das Humboldt-Forum auf eine Verdopplung der ursprünglich eingeplanten Kosten auf eine Summe im hohen sechsstelligen Bereich.

Auch angebrachte Tafeln zur Erläuterung des Kuppelspruchs sorgten nun für Aufregung. Der Publizist Max Czollek warf dem Humboldt-Forum vor, eine vorherige ausdrückliche Distanzierung vom christlichen Herrschaftsanspruch entschärft zu haben. In der neuen Erläuterung heißt es, dass das Spruchband »nicht als programmatische Aussage des Hauses« gilt. Die im Humboldt-Forum beheimateten Institutionen würden die »gesellschaftliche Problematik« hinter den Aussagen jedoch anerkennen und sich kritisch mit ihnen auseinandersetzen.

Gegenüber »Muckefuck« teilt Museumssprecher Michael Mathis mit: »Im Februar wurden diese Tafeln überhaupt erst aufgestellt – mit einer Fassung, die sich von einer früheren Fassung leicht unterscheidet.« Über den Text sei in verschiedenen Gremien beraten worden, schließlich habe man sich für die Umformulierung entschieden. Weitere künstlerische Projekte würden künftig zur Auseinandersetzung mit der Thematik beitragen.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik - aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin - ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Grünen-Politiker Wesener stellt das nicht zufrieden. Zwar zeugten einige Projekte von guten Ansätzen, sich mit der Geschichte des Stadtschlosses auseinanderzusetzen. Doch: »Am Ende fällt man eben immer wieder durch andere Dinge auf.« Spätestens seit der Debatte um das goldene Kreuz auf der Kuppel des Hauses sei offensichtlich geworden, dass es ein grundlegendes Problem am Humboldt-Forum gebe. Hinzu kämen Spender »mit einschlägigem Hintergrund«.

Das abgesagte Kunstprojekt sei, so Wesener, der fortgesetzte Akt eines Trauerspiels. »Es besteht ein Missverhältnis zwischen dem finanziellen Aufwand, den man für das ganze Humboldt-Forum betrieben hat, und der Aussage, dass diese künstlerische Intervention jetzt doch zu teuer war.« Dem mehr als 640 Millionen Euro teuren Bau diagnostiziert er zudem einen »Geburtsfehler«: Schon allein dessen Raumkonzeption sei nicht für Ausstellungen gedacht. Zur Rettung des Kulturorts als Ganzes fehle es ihm an Fantasie. Die Verwaltung von Kultursenator Joe Chialo bat mit Blick auf den vollen Terminkalender des CDU-Politikers um Verständnis dafür, dass Fragen hierzu derzeit nicht beantwortet werden können.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.