»Hitzeschutz ist Gemeinschaftsaufgabe«

AWO-Projektleiterin Elisabeth Olfermann über den Hitzeschutz in der stationären Pflege

  • Interview: Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 5 Min.
In Einrichtungen der stationären Pflege wird Hitze immer mehr zum Problem. Nun sind nachhaltige Lösungen gefragt.
In Einrichtungen der stationären Pflege wird Hitze immer mehr zum Problem. Nun sind nachhaltige Lösungen gefragt.

Frau Olfermann, Hitze und Hitzeschutz sind in aller Munde. Was hat den Ausschlag gegeben, dass sich nun auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) mit Hitzeschutz in Pflegeeinrichtungen beschäftigt?

Die Auswirkungen der Klimakrise spielen in der AWO schon länger eine große Rolle. Als Verband wollen wir vor 2040 klimaneutral werden und haben bereits ein Projekt zu klimafreundlicher Pflege gestartet. Dabei wurde deutlich, wie stark die stationäre Pflege bereits jetzt von der Klimakrise betroffen ist. Bislang wurde im Bereich Klimafolgen zu wenig getan, es gibt jedoch einen großen Bedarf. Daher haben wir begonnen, uns dem Problem in strukturierter Weise zu nähen und freuen uns sehr, dass wir nun zusammen mit der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit unser Projekt durchführen können.

Wie sieht das Projekt konkret aus?

Wir haben letztes Jahr begonnen und werden jetzt in drei Sommern rund 30 stationäre Pflegeeinrichtungen begleiten und jeweils im Herbst sehen, welche Maßnahmen zum Hitzeschutz gut liefen und was man noch anpassen kann. Wir sind in fünf Projektregionen in Oberbayern, Sachsen, Baden-Württemberg, im Rheinland sowie in Mittelrhein tätig. Dabei haben wir uns an den Hitze-Hotspots in Deutschland orientiert.

Haben sie nach den ersten heißen Tagen bereits Erkenntnisse zu Problemen in den Einrichtungen?

Viele stationäre Einrichtungen sind Bestandsbauten, das heißt, die Gebäude sind sehr anfällig für Hitze. Als sie gebaut wurden, wurde der Hitzeschutz nicht mitgedacht. Das sieht man zum Beispiel daran, dass es häufig weite Glasdächer und mit Glas überdachte Lichthöfe gibt. Es ist zwar gut, dass damit viel Tageslicht in die Gebäude kommt, führt jedoch dazu, dass man sich in diesen Bereichen im Sommer kaum aufhalten kann, da sie so aufgeheizt sind.

Gibt es in den Pflegeeinrichtungen bereits Konzepte, mit denen auf solche Probleme reagiert wird?

Das ist vor Ort sehr unterschiedlich. Hessen hat als einziges Bundesland bereits einen eigenen Hitzeschutzplan entwickelt, der Hitzeschutz verbindlich festschreibt. Auch das »Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin« hat Musterpläne für verschiedene Einrichtungen und Dienste entworfen. Andere Länder sind noch nicht so weit. Es gibt aber darüber hinaus vielfältige Materialien und Schulungskonzepte. Was bereits jetzt häufig umgesetzt wird, sind niedrigschwellige Maßnahmen wie verbindliche Trinkprotokolle, Abschirmung der Sonneneinstrahlung oder Umstellung des Speiseplans auf leichte Kost.

Für die Pflegebedürftigen in den Heimen?

Genau. Ältere, pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen sind besonders anfällig für hitzebedingte Krankheiten. Gerade ältere Menschen haben oft Anpassungsschwierigkeiten, häufig ein gestörtes Temperaturempfinden und können nicht so gut schwitzen. Auch ist die Selbstwahrnehmung des Körpers eingeschränkt, so haben viele ältere Menschen häufig kein starkes Durstgefühl. Auch Vorerkrankungen können ein Problem sein, insbesondere chronische Erkrankungen wie Diabetes oder Herz- und Kreislaufprobleme. Schlussendlich kann auch die Wirkung von Medikamenten durch Hitze beeinflusst werden. Hitze betrifft die Bewohner*innen somit sehr vielfältig.

Nun sind in den Heimen ja nicht nur Pflegebedürftige, sondern auch Angestellte.

Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Auch die Pflegekräfte sind vielfältig belastet und leiden ebenso unter der Hitze. Sie haben ohnehin bereits einen psychisch und physisch sehr schweren Arbeitsalltag. Durch die Hitze kommen dann noch Müdigkeit und Erschöpfung hinzu, aber auch Gereiztheit.

Wie kann man hier tätig werden?

Zum Beispiel durch die Anpassung der Dienstkleidung, was aber nicht zwangsläufig schnell machbar ist. Teilweise tragen die Beschäftigten noch dicke Baumwolle, da müsste man umstellen auf leichtere und luftigere Stoffe. Neben solcher Sommerkleidung wird bereits mit spezifischer Kühlkleidung experimentiert. Die Mitarbeiter*innen haben häufig selbst tolle Ideen, was man konkret vor Ort machen kann – und sie kennen auch die Pflegebedürftigen ihrer Einrichtungen am besten und wissen, worauf zu achten ist.

Haben Sie auch weiterreichende Vorschläge entwickelt?

Mittelfristig sollte es darum gehen, Dienstpläne flexibler zu gestalten. In manchen Einrichtungen etwa ist die oberste Etage am meisten von Hitze betroffen, da sollten dann die dort eingesetzten Mitarbeiter*innen rotieren. Auch Tages- und Arbeitsabläufe könnten anders gestalten werden. Anstrengende Tätigkeiten wie Krankengymnastik sollten nicht mehr mittags oder nachmittags durchgeführt werden, sondern in kühleren Morgenstunden. Langfristig muss es darum gehen, die Gebäude umzubauen und sie zu begrünen oder Schattenflächen auszubauen. All das muss jedoch zusammen gedacht werden. Hitzeschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe und kann nicht von einer Einrichtung oder Berufsgruppe allein gelöst werden.

Apropos Gemeinschaftsaufgabe. Wie steht die Politik zu Ihren Vorschlägen?

Als AWO begrüßen wir die Initiative des Gesundheitsministers Karl Lauterbach, einen nationalen Hitzeschutzplan zu erstellen und freuen uns, dass das Thema Hitzeschutz auf Bundesebene angekommen ist. Aber noch sind die Pläne eher vage und müssen konkretisiert werden. Vor allem die Frage der Finanzierung ist entscheidend. Bislang gibt es zu wenig Fördermöglichkeiten. Aber es muss allen klar sein: Hitzeschutz gibt es nicht umsonst.

Interview

Elisabeth Olfermann (32) leitet das Projekt »Hitzeresiliente und gesundheitsfördernde Lebens- und Arbeitsbedingungen in der stationären Pflege« beim Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO). 

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.