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Para-WM in Paris: Mehr als ein Testlauf für Olympia
Die Leichtathletik-WM für Menschen mit Behinderung in der französischen Hauptstadt ist nicht nur Probeübung für Olympia 2024
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Der Zeitplan hätte besser nicht sein können: Ziemlich genau ein Jahr vor den Olympischen Spielen und den Paralympischen Spielen 2024 in Paris findet in diesen Tagen in der französischen Hauptstadt die Para-Leichtathletikweltmeisterschaft statt. Da liegt es nahe, sie als Generalprobe für die Spiele der Behinderten in einem Jahr zu betrachten. Die Dimensionen sind durchaus vergleichbar. An der Para-Leichtathletik-WM 2023 nehmen 1350 Sportler aus 107 Ländern teil, bei den Paralympischen Spielen 2024 werden es 4400 Sportler aus 180 Ländern sein. Anders als bei den Olympischen Spielen starten sie in einer Vielzahl von Kategorien, die nach der Art ihrer Behinderung – zum Beispiel Querschnittslähmung, Sehbehinderung, Amputation, zerebrale Lähmung oder geistige Behinderung – untergliedert und damit vergleichbar sind.
Die »offiziellen« Olympischen Spiele finden 2024 nach 1900 und 1924 nun schon zum dritten Mal in Paris statt, aber neu für diesen Austragungsort ist, dass sich auch noch Paralympische Spiele anschließen, wie das seit den Spielen 1988 in Seoul üblich ist. Dieses wichtigste Ereignis für den Behindertensport wird Wettbewerbe in 22 Sportarten bieten, von Blindenfußball über Triathlon bis Sitzvolleyball. Viele Franzosen wissen gar nicht, dass es so etwas gibt. Doch das beginnt sich zu ändern. Rollstuhltennis, eine dieser Sportarten, trat vor Wochen aus dem Schattendasein, als an den letzten Tagen des international bekannten Pariser Tennisturniers Roland Garros parallel zu den Finalspielen auf benachbarten Plätzen erstmals Behindertensportler aus verschiedenen Ländern vor einem internationalen Publikum antraten und einige dieser Spiele auch im Fernsehen übertragen wurden. Die gegenwärtige Para-Leichtathletik-WM geht da noch eine ganze Stufe weiter. Die letzte derartige Veranstaltung gab es 2019 in Dubai. An der ungewöhnlichen vierjährigen Pause war die Covid-Pandemie schuld.
Nicht zuletzt geht es bei der WM darum, wer sich mit den hier gezeigten Ergebnissen für die Paralympischen Spiele qualifiziert. Hier wird also ein Vorgeschmack auf die Olympischen Spiele gegeben, versuchen die Organisatoren zu suggerieren, und damit scheinen sie Erfolg zu haben. Dabei ist der Austragungsort das relativ kleine Stadion Charléty am südlichen Stadtrand, das 19 000 Zuschauer fasst und nicht vergleichbar ist mit dem weltbekannten und 60 000 Menschen fassenden Stade de France im nördlichen Vorort Saint-Denis, wo 2024 die wichtigsten Wettkämpfe der Olympischen und dann auch die Paralympischen Spiele ausgetragen werden.
Erstmals bei einer Behindertensportveranstaltung in Frankreich wurden die Eintrittskarten nicht verschenkt, sondern verkauft, wenn auch zu sehr moderaten Preisen. »Das war auch für uns eine nicht einfach zu überwindende Hemmschwelle«, räumt Adrien Balduzzi, der Organisationsleiter der Meisterschaft, ein. »Es ist aber ein Signal, dass Behindertensport sein Geld wert ist, weil er sich durchaus mit anderen Sportwettkämpfen vergleichen lässt.« Dass insgesamt 105 000 Eintrittskarten für die Wettkämpfe der Pariser WM verkauft wurden, während es 2019 in Dubai nur 3000 waren, grenzt an ein Wunder, denn Werbung wurde dafür kaum gemacht. Es gibt fast keine Plakate, die auf das Ereignis aufmerksam machen, und in den Medien kommt das Thema kaum vor. Nur die Sportzeitung L’Equipe berichtet regelmäßig, und ihr Fernsehkanal ist der einzige, der für interessierte Franzosen über den Tag verteilt Direktübertragungen einzelner Wettkämpfe und mittags und abends zusammenfassende Berichte bringt.
Um die Aufmerksamkeit auf die Para-Weltmeisterschaft zu richten, hat man sich weniger auf herkömmliche Werbekanäle gestützt und mehr auf die sozialen Netze im Internet und auf populäre Musiker. »Das Schwierigste ist, die Zuschauer ein erstes Mal hierher zum Behindertensport zu bringen. Dann wirkt der besondere Reiz, der von diesen zwar behinderten, aber doch sehr motivierten Athleten ausgeht, und sie kommen wieder, um sich das anzusehen«, meint Balduzzi. Dabei stützt er sich auf eine Studie von Wissenschaftlern, die Zuschauer bei verschiedenen Behindertensportveranstaltungen befragt und die Ergebnisse analysiert haben. Auf die Dauer werde man auch im Behindertensport nicht ohne »Zugpferde« auskommen, ist Marie-Amélie Le Fur, die Präsidentin des Französischen Paralympischen Sportkomitees, überzeugt. »Die Franzosen müssen sich mit einigen Aushängeschildern identifizieren können, um sich dauerhaft an die paralympische Bewegung zu binden.« Behindertensportveranstaltungen wie diese seien auch sehr wichtig für Kinder mit einer Behinderung. »Diese Sportler und ihre Leistungen haben Vorbildwirkung und zeigen anschaulich, was man auch mit einer körperlichen Einschränkung erreichen kann, wenn man sich mit ganzer Kraft dafür engagiert.«
Zu Frankreichs Hoffnungsträgern bei der WM und im nächsten Jahr bei den Paralympischen Spielen gehört Dimitri Jozwicki, der 2021 in Tokio beim 100-Meter-Lauf in der Klasse T38 – Athleten mit geringen Einschränkungen in der Bewegung und Koordination des unteren Rumpfes und der Beine – den vierten Platz belegt hat. Er kann damit leben, dass sein Name der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt ist. »Auf der Straße werde ich nicht angehalten und um ein Autogramm gebeten«, räumt der junge Mann lachend ein. Er leidet an Tetraparese, einer unsichtbaren Behinderung, die die Gelenke und die Muskelkoordination beeinträchtigt. »Die Nähe der Weltmeisterschaft zu den Paralympics rückt uns stärker ins Licht«, hat er festgestellt. »Die Medien schenken uns schon mehr Aufmerksamkeit als früher und auch Sponsoren beginnen sich für uns zu interessieren.«
Pierre Rabadan, der für Sport zuständige Stellvertretende Bürgermeister von Paris, erhofft sich von der Para-WM jetzt und von den Paralympischen Spielen im nächsten Jahr auch einen Schub für die Lebensbedingungen aller behinderten Menschen des Landes. »Im Vergleich mit anderen Ländern ist Frankreich da weit abgeschlagen und muss große Anstrengungen unternehmen, um wenigstens einen Teil des Rückstands aufzuholen«, betont er. »Auch Paris, das auf anderen Gebieten im internationalen Spitzenfeld rangiert, hat diese Problematik sträflich vernachlässigt.« Beispielsweise wird die praktische Durchsetzung des bereits 1975 erlassenen Gesetzes über den behindertengerechten Zugang zu öffentlichen Bauten, Läden, Hotels und Verkehrseinrichtungen seit vielen Jahren durch großzügige Ausnahmegenehmigungen immer wieder hinausgeschoben, weil das bequemer und billiger ist, als Neubauten gleich so zu konzipieren und ältere Bauten entsprechend nachzurüsten.
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