Vor Rammstein-Konzert: Awareness-Pflicht für Großevents gefordert

Vor dem Rammstein-Konzert machen die Berliner Grünen Vorschläge für sicherere Veranstaltungen

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf immer mehr Veranstaltungen gibt es auch ohne gesetzliche Pflicht Awareness-Teams
Auf immer mehr Veranstaltungen gibt es auch ohne gesetzliche Pflicht Awareness-Teams

Weil auf Konzerten, in Clubs oder bei Kultur- und Sportevents immer wieder sexualisierte Gewalt ausgeübt wird, hat die Grünen-Fraktion jetzt einen Maßnahmenkatalog für den Gewaltschutz auf Veranstaltungen vorgeschlagen. »Der Senat muss sichere Bedingungen schaffen, damit alle Veranstaltungen genießen können«, sagte Bahar Haghanipour, Frauenpolitikerin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, bei der Vorstellung am Donnerstag.

Für Berlins Veranstaltungsstätten mit mehr als 5000 Gästen soll es nach dem Willen der Grünen verpflichtend werden, Sicherheitskonzepte vorzuweisen. Dazu gehören beispielsweise sogenannte Awareness-Teams, die als Ansprechpartner auf Veranstaltungen erkennbar sind und auf das Wohlbefinden der Gäste achten. Auch für Veranstaltungen mit weniger als 5000 Gästen, die in landeseigenen Veranstaltungsorten stattfinden, soll ein Sicherheitskonzept durch eine Mietvertragsklausel verpflichtend werden.

Gelten würde die vorgeschlagene Pflicht auch für das Berliner Olympiastadion, wo ab Samstag an drei Tagen Konzerte der Band Rammstein stattfinden werden. Wegen der Missbrauchsvorwürfe gegen Sänger Till Lindemann, die dessen Anwälte als »ausnahmlos unwahr« zurückweisen, ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft. Aktivisten fordern ein Verbot der Auftritte und haben für die Konzertabende Proteste angemeldet.

»Die Forderung ist emotional verständlich, rechtlich gibt es keinen Hebel«, sagt Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU). Auch Grünen-Politikerin Haghanipour sagt: »Die Verträge sind geschlossen und damit verbindlich. Es ist die Entscheidung der Band und der Veranstalter, die Konzerte stattfinden zu lassen.«

Bei den Rammstein-Konzerten im Olympiastadion wird es allerdings Awareness-Teams geben. »In Momenten, in denen sich Besuchende unwohl fühlen, Hilfe benötigen oder mit einer unangenehmen Situation konfrontiert sind, können sie sich vor Ort an das Team von Inklusion Muss Laut Sein und weiteren Helfer*innen wenden«, heißt es dazu auf der Veranstaltungsseite.

Man wolle ebenfalls prüfen, ob Zuwendungen des Landes an Veranstalter künftig an einen besseren Gewaltschutz gekoppelt werden können. »Wer von Berlin Geld bekommt, muss auch für Schutz sorgen«, sagte Grünen-Politikerin Haghanipour, die auch Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses ist. Nach der parlamentarischen Sommerpause wollen die Grünen ihren Antrag in das Abgeordnetenhaus einbringen. Bis dahin sollen auch Gespräche mit Abgeordneten anderer Parteien geführt werden, sagte Haghanipour.

Gleichzeitig gibt es immer wieder auch Kritik daran, dass sich die Branche mit Awareness-Teams aus der Verantwortung stiehlt, grundsätzliche Machtstrukturen zu verändern. Opferanwältin Asha Hedayati sagt, bei ihr hätten sich auch nach den Vorwürfen gegen Till Lindemann viele Frauen mit eigenen Geschichten gemeldet, die diese aber weder öffentlich erzählen noch zur Anzeige bringen wollten. Betroffenen werde oft eine Mitschuld gegeben, sagt sie.

Auch bei Fällen von sogenanntem Spiking, wo Frauen durch unbemerkt ins Getränk gemischte oder ihnen gespritzte Substanzen handlungsunfähig gemacht werden, kritisiert Hedayati fehlende Unterstützung und mangelndes Bewusstsein bei öffentlichen Anlaufstellen. Das Problem, dass Personen, denen beispielsweise K.o.-Tropfen verabreicht wurden, nicht ernst genommen werden, gebe es nicht nur in den Notaufnahmen von Krankenhäusern oder beim Rettungsdienst, sondern beispielsweise auch, wenn sich Betroffene an die Polizei wenden. »Das ist der Moment, wo der Staat Frauen allein lässt«, kritisiert Hedayati.

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