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Krieg im Schwimmbad in Berlin
Andreas Koristka hat gemeinsam mit seiner Tochter das Chaos am Berliner Beckenrand überlebt
Es herrscht Krieg in Berlins Freibädern. Auch wenn man es nicht auf den ersten Blick erkennt. Am Pommes-Stand scheint noch alles normal zu sein, aber sieht man ins Nichtschwimmerbecken, wird schnell klar, dass man sich in einer Ausnahmesituation befindet: Vier Jugendliche mit Flaumbart raufen und planschen – ein Inferno!
Meine siebenjährige Tochter steht mit großen Augen am Beckenrand und fragt mich entgeistert, ob ich auch so gewesen sei, als ich »jung« war. »Nicht ganz so braun«, antworte ich wahrheitsgemäß, während der Agilste der Schwimmbad-Terroristen schreit: »Digga, wir spielen Verstecken, aber in ganze Freibad, wallah!«
Man nimmt die besorgten Blicke der restlichen Gäste des Sommerbads in Pankow wahr. Zum großen Teil sind es Gentrifizierer-Familien, die mittlerweile den ganzen Bezirk prägen. Jene, die das Freibad terrorisieren, stammen nicht von hier. Sie kommen von weit her, aus einem ganz anderen Kulturkreis – aus Wedding, Reinickendorf oder so … Die richtigen Pankower scheinen sich zu fragen: »Müsste uns jetzt nicht der Sicherheitsdienst beschützen?« Aber die beiden Männer mit den Westen einer Security-Firma, die für gewöhnlich am Eingang herumsitzen und meine Taschen sehr nachlässig auf Glasflaschen und halbautomatische Handfeuerwaffen kontrollieren, haben selbst verdächtig lange Bärte. Wahrscheinlich sind es Tschetschenen. Oder Schlimmeres. Kann man von denen Hilfe erwarten?
Unterstützt wird der Sicherheitsdienst lediglich von drei Polizeiwannen, die im Eingangsbereich herumstehen. Aber was kann die Staatsmacht schon ausrichten, wenn vier 15-Jährige komplett eskalieren? Für solche Situationen bräuchte man ganz anderes Gerät. Nun rächt es sich, dass sie die Panzer in die Ukraine geschickt haben.
Andreas Koristka ist Redakteur der Satire-Zeitschrift Eulenspiegel. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter: dasnd.de/koristka
Wenigstens kann man dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner von der CDU keine Nachlässigkeit vorwerfen. Er tut, was er kann. Vor ein paar Tagen hat er ein Freibad besucht (was soll man als Bürgermeister auch anderes machen bei solchen Temperaturen?) und seine schonungslose Analyse den anwesenden Reportern in die Mikrofone diktiert: »Wir haben hier eine Zaunsituation vorgefunden, wo jeder sehr leicht drüber kommt.« Das kann natürlich nicht so bleiben, denn: »Es sind sehr häufig Wiederholungstäter, die die Freibäder terrorisieren.« Wiederholungstäter! Also Ausländer! Aber keine Sorge, denn Wegner verspricht: »Wir werden die Bäder auch von außen sicherer machen.«
Es ist ein Versprechen, das Kraft gibt. Gut, Streumunition wäre besser gewesen, aber eine Verbesserung der Zaunsituation ist ja auch was. Man könnte die verbesserten Zäune mit den freigewordenen Geldern aus dem Radwegebau finanzieren. Beim Gedanken an den tatkräftigen Kai Wegner fasse ich neuen Mut. Ich blicke meiner Tochter in die Augen: »Kind, unser Bürgermeister versucht alles, um uns zu schützen, aber jetzt komm hier schnell weg, der Dicke rennt wieder am Beckenrand!«
Herlinde-Ludovika jammert ein wenig, nachdem ich sie im letzten Augenblick aus der Gefahrenzone gerissen habe, aber das Ellbogengelenk kann ich als erfahrener Vater schnell wieder einrenken. Hauptsache ist, dass wir überlebt haben. Die Polizisten kommen herbeigelaufen und nehmen den übergewichtigen Beckenrenner fest, um ihre Schmerzgriffe an ihm zu trainieren. Ich kaufe meiner Tochter noch ein Cornetto. Auf dem Heimweg schaut sie mich an und sagt: »Papa, es ist ein schönes Gefühl von dir und der CDU beschützt zu werden.« Ich nicke und bin froh, dass sie diese Geborgenheit erfahren kann.
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