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Ernst-Ludwig Petrowsky ist tot: Jazz hat immer recht

Jazzmusiker Ernst-Ludwig Petrowsky gestorben

  • Gerd Adloff
  • Lesedauer: 3 Min.
Saxophonist Ernst-Ludwig Petrowsky bei einem Konzert in Jena im August 2008
Saxophonist Ernst-Ludwig Petrowsky bei einem Konzert in Jena im August 2008

In den letzten Wochen starben zwei wichtige und prägende deutsche Jazzmusiker, beide Saxophonisten, beide haben auf ihre Art die Entwicklung des Jazz entscheidend beeinflusst. Auf der einen Seite der 1941 in Remscheid geborene Peter Brötzmann, der den Freejazz vorangetrieben, ja geblasen hat, wie wenige andere. Auf der anderen Seite der 1933 in Güstrow zur Welt gekommene Ernst-Ludwig Petrowsky, genannt Luten, der eine wesentliche Rolle im DDR-Jazz spielte.

Neulich dachte ich, dass, seitdem ich bewusst Musik höre, immer auch die von Petrowsky dabei war. Was natürlich nicht stimmt. Klar, er machte seit 1955 öffentlich Musik, da war ich drei Jahre alt, aber ich hörte noch sehr lange nur andere Musik. Aber irgendwann, wir waren sechzehn, machte ein Schulfreund den Vorschlag, am Samstagnachmittag zum Jazz ins Kreiskulturhaus Treptow zu gehen, in den Twistkeller, wie er sagte. Wir zogen unsere Jugendweiheanzüge an, Oberhemd und Schlips, so war das damals üblich. Wir zahlten einen geringen Eintrittspreis, plus fünf Pfennige Kulturbeitrag. Und wir erlebten Jazzmusik der eher altmodischen Art. Aber wir fingen Feuer, gingen nun öfter dorthin. Die Musik wurde moderner, freier, die Kleiderordnung legerer. Und irgendwann war auch Luten unter den Musikern, denen wir zuhörten, die uns begeisterten. In meiner Erinnerung improvisierten einmal Musiker über »Die Partei, die Partei, die hat immer Recht«, zerlegten das Lied förmlich. Ich war beeindruckt, was man im Jazz ohne Worte sagen konnte. Dass die Partei nicht immer Recht hatte, das verstanden wir da schon mehr und mehr. Der Jazz schien uns am wenigsten reglementiert, das war uns wichtig. Hier gab es Freiräume.

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Ich habe mehrmals gelesen, Petrowsky sei der Vater des DDR-Jazz. Mit solchen Formulierungen habe ich so meine Probleme. Wenn er der Vater war, wer war dann die Mutter?

Er war zweifellos ein großartiger Musiker, der für die Entwicklung des Jazz in der DDR von großer Bedeutung war. Gewiss war das 1962 von ihm und Manfred Schulze, einer anderen wichtigen Figur des Jazz, gegründete Manfred Ludwig Sextett ein wesentliches Projekt. Petrowsky war auch international geschätzt und anerkannt, offen für die Begegnung und Zusammenarbeit mit anderen, gerade auch jüngeren Kollegen. Hier aufzuzählen, mit wem und wo überall er gespielt hat, würde zu weit führen.

Ich mochte besonders seine gemeinsamen Auftritte mit seiner Frau, der wunderbaren Sängerin Uschi Brüning, und vor allem auch die mit dem »Zentralquartett«. Dieses Zusammenspiel mit den drei jüngeren großartigen Musikern Conny Bauer, Uli Gumpert und Günter »Baby« Sommer setzte nicht nur neue Maßstäbe im DDR-Jazz, sondern brachte auch jeden dieser Musiker weiter, so mein Eindruck als Zuhörer.

Luten war ein Vollblutmusiker. Als er schon am Stock gehen musste, war er spätestens dann, wenn er die Bühne erklommen hatte, voll da, spielte begeisternd, nun im Sitzen. Aber irgendwann ging auch das nicht mehr.

Eine Woche vor Lutens Tod veranstaltete der verdienstvolle Verein »Jazzkeller 69« am Kaisersteg in Berlin Schöneweide ein Geburtstagskonzert zum 80. von Conny Bauer. Es war schön, dass das vor sehr vielen begeisterten Zuhörern geschah. Er spielte zusammen mit seinem jüngeren Bruder Matthias und »Baby« Sommer, der in diesem Jahr auch noch 80 wird. Die Spielfreude und Vitalität dieser drei waren beeindruckend. Wenn verantwortliche Politiker das gehört und gesehen haben sollten, sie werden den Auftritt möglicherweise als Argument für eine radikale Anhebung des Renteneintrittsalters nutzen.

Petrowsky, der am 10. Juli in Berlin starb, fehlt.

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