- Politik
- Geplanter Neubau
Bündnis stellt sich gegen Abschiebegefängnis in Düsseldorf
Kritik an europäischer Asylpolitik als »rassistische Praxis«
Angesichts der drohenden Verschärfungen des Asylrechts in der EU dürften auch Abschiebegefängnisse in Deutschland für Ausreisepflichtige weiter in den Fokus rücken. Ohnehin ist der Druck, der auf diese Menschen ausgeübt wird, hoch; er wird noch weiter steigen, sind sich Asylexperten sicher.
In Düsseldorf soll künftig ein neuer Abschiebeknast in unmittelbarer Nähe zum Flughafen gebaut werden. Die geplante Anlage mit 25 Plätzen soll als sogenannter Ausreisegewahrsam dienen. Dort könnten Menschen bis zu zehn Tage lang inhaftiert werden, dies würde den Behörden eine bevorstehende Abschiebung erleichtern. Nach der 1994 in einer ehemaligen Nato-Kaserne eingerichteten »Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige« (UfA) im westfälischen Büren mit 175 Haftplätzen wäre es die zweite derartige Einrichtung in Nordrhein-Westfalen.
Linkssein ist kompliziert. Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen. Jetzt abonnieren!
Die Pläne für ein Düsseldorfer Abschiebegefängnis existieren seit einigen Jahren, geschmiedet wurden sie noch von der schwarz-gelben Regierung. Auch die neue schwarz-grüne Regierung, die seit knapp einem Jahr im Amt ist, hält daran fest.
Das von der Grünen Josefine Paul geführte Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, als oberste Ausländerbehörde zuständig für die Entscheidung zum Bau einer Abschiebungshaftanstalt oder eines Ausreisegewahrsams in der Landeshauptstadt, gibt sich zu dem Komplex zugeknöpft. »Angesichts der Auslastungssituation der UfA Büren prüft die Landesregierung derzeit, ob eine weitere Einrichtung für ausreisepflichtige Personen sinnvoll und notwendig ist«, heißt es auf nd-Anfrage.
Keine klare Absage der Grünen
Hatten sich die NRW-Grünen im Wahlkampf noch gegen Abschiebegefängnisse ausgesprochen, scheinen mit Regierungsverantwortung Grundsätze über Bord geworfen worden zu sein. Der Sprecher für Flucht der Grünen-Landtagsfraktion, Benjamin Rauer, formuliert es so: »Die schwarz-grüne Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass Abschiebungshaft einen schwerwiegenden Eingriff in den grundrechtlichen Freiheitsbereich einer Person darstellt. Im Sinne der Verhältnismäßigkeit setzen wir uns daher eindringlich dafür ein, dass vorrangig mildere Mittel ausgeschöpft werden müssen.« Dies liest sich mitnichten wie eine klare Absage.
Der Koalitionspartner, die CDU, will erst gar nichts von einer weiteren »Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige« (UfA) wissen: »Nach unserem Wissen sind keine weiteren Abschiebegefängnisse geplant.« Die Plätze seien nach derzeitigem Stand ausreichend. Die CDU verweist ebenso auf den im Koalitionsvertrag festgehaltenen »Grundsatz«.
Bei »vulnerablen Gruppen« wie Kindern wollen zumindest die Grünen aber eine Ausnahme machen. Wenn Menschen für eine erzwungene Ausreise eingesperrt würden, müsse man ihnen ferner Rechtsbeistand garantieren, so Rauer weiter. Letztlich bleibt es bei den Grünen, ob Ministerium oder Fraktion, beim gleichen Tenor: »Am Ende rechtsstaatlicher Asylverfahren kann aber auch die Verpflichtung zur Ausreise stehen.« Rückführungen und freiwillige Rückkehr seien auch Teil von Migrationspolitik, heißt es auf Anfrage von »nd«. Das grüne Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration verweist seinerseits noch auf die »humanitäre und chancengerechte Flüchtlingspolitik in NRW, die die Menschenrechte in den Mittelpunkt stellt«.
»Abschiebehaft muss abgeschafft werden«
NRW ist bundesweiter Spitzenreiter bei Abschiebungen. Allein in den vergangenen knapp drei Jahren wurden rund 90 Sammelflüge über den Flughafen Düsseldorf, den mutmaßlich zweitgrößten Abschiebeflughafen Deutschlands, organisiert. »Viele dieser Menschen wurden zuvor in Abschiebehaft gesperrt«, heißt es von dem Bündnis »Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall«. Das in Düsseldorf ansässige und weitgefächerte Bündnis spricht sich entschieden gegen den geplanten Neubau am wichtigsten Flughafen des Landes und drittgrößten Deutschlands (gemessen an den Verkehrszahlen) aus. Es demonstrierte bereits anlässlich der ersten Sitzung des neu gewählten Landtages am 28. Juni 2022 vor dem Düsseldorfer Parlament.
»Wir wollen kein weiteres Abschiebegefängnis. Im Gegenteil: Abschiebehaft muss abgeschafft werden. Wir wenden uns gegen die aktuelle autoritäre und repressive Abschiebungspolitik in NRW und bundesweit und fordern eine gänzlich andere Politik gegenüber Menschen, die ihre Herkunftsländer verlassen mussten: eine Politik des Willkommens und des Bleibens«, steht auf der Internetseite des Bündnisses.
Kritisiert wird überdies, dass EU-Recht »einfach ignoriert« werde. Darin gebe es einen »verankerten Grundsatz der Vermeidung von Haft bei Abschiebung«. Abschiebehaft sei Teil der europäischen Asylpolitik und eine rassistische Praxis. Für die Behörden ist laut dem Bündnis die Inhaftierung lediglich eine Verwaltungsmaßnahme, auf die die Abschiebung in die Herkunftsländer oder andere EU-Staaten folgt. »Für die Betroffenen bedeutet es soziale Isolation, keine Beratung, weitere Gewalterfahrungen und Angst vor der erzwungenen Ausreise in ein Land, in dem das weitere Leben völlig ungewiss ist – und nicht selten lebensgefährlich.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.