Der Müll der Berliner Umweltsenatorin

Manja Schreiner eröffnet in Berlin eine Zero-Waste-Agentur – und will so ihr schlechtes Image entsorgen

  • Noah Kohn
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor unverputzten Wänden steht auf einer Tischstaffelei ein Bild. Es ist mit einem karierten Tuch bedeckt. Der Vorhang fällt und auf weißem Hintergrund werden ein orangener Kreis und die Worte »Zero Waste Agentur« offenbar. Es ist ein Logo, das wegen des abnehmenden Fettungsgrads der Buchstaben ein bisschen so aussieht, als wäre dem Drucker die Tinte ausgegangen – ein Fall für den Papierkorb. Daneben steht Berlins Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) und strahlt.

Auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei eröffnete sie am Dienstag gemeinsam mit der Vorstandsvorsitzenden der Berliner Stadtreinigung (BSR), Stephanie Otto, Berlins erste sogenannte Zero-Waste-Agentur. Gerade eben enthüllten die beiden das Logo dieser neuen Einrichtung. »Mit der Zero-Waste-Agentur wollen wir einen großen Schritt machen hin zu einer nachhaltigeren Zukunft und einer nachhaltigen Transformierung der Abfallwirtschaft in Berlin – denn der beste Abfall ist der, der gar nicht erst entsteht«, las Schreiner bei der Pressekonferenz am Morgen von einem Blatt ab. »Zero Waste« kommt aus dem Englischen und bedeutet »Null Verschwendung«.

Es ist das Leitbild des Abfallwirtschaftskonzepts 2030 des Landes Berlin, in dessen Zuge das neue Unterfangen auf den Weg gebracht wurde. Das Abfallwirtschaftskonzept 2030 soll der Senatsumweltsverwaltung als Planungsinstrument für die Verbesserung der Kreislaufwirtschaft in Berlin dienen. Kreislaufwirtschaft bedeutet, den Lebenszyklus von Materialien, Produkten und Abfall durch Wiederverwendung, Aufarbeitung und Recycling zu verlängern.

»Die Agentur soll die vielfältigen Aktivitäten in Berlin im Bereich Abfallvermeidung, Wiederverwendung und Recycling noch besser bündeln und dafür eine zentrale Plattform bilden«, erklärte Schreiner die Grundaufgabe der Zero-Waste-Agentur. Darüber hinaus soll die Agentur Initiativen beraten, Abfallvermeidungsstrategien erarbeiten und das Berliner »Zero-Waste-Netzwerk« weiter ausbauen.

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Getreu dem Motto »Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man ’nen Arbeitskreis« kommt Schreiner nach dem Radwegedebakel positive Publicity gerade recht. Schließlich hat die bisherige »Verhinderungssenatorin« seit Dienstantritt noch nicht allzu viel Sympathie in der Hauptstadt gesammelt. Etwas Nachhaltiges mit einer hippen englischen Bezeichnung kann da schon mal das Image aufpolieren. Der »Impact Hub« in der alten Fasshalle auf dem Brauereigelände, ein Brutkasten und Coworking Space für Weltverbesserer, lieferte dafür das perfekte Setting.

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Der Küchenbereich, in dem der Pressetermin stattfand, wurde zu großen Teilen aus wiederverwendeten Materialien erbaut. Gerettete Kleiderhaken aus dem Müll zieren die Wände, alte Gitter aus U-Bahnschächten dienen als Treppengeländer, frühere Dachbalken sind nun Fensterbalken. Rund 60 Prozent des Hauses in der Rollbergstraße sind zirkulär gebaut, also aus wiederverwendeten, recycelten oder nachhaltigen Baustoffen zusammengesetzt.

Schreiners Imagemission ging trotz der Kulisse nicht auf. Nicht nur, dass sie die ganze Zeit vom Zettel ablas; auch auf die Frage, wie die Zero-Waste-Agentur finanziert werden soll, wusste sie keine Antwort. Ihre Staatssekretärin musste aushelfen: 1,3 Millionen Euro seien für die Finanzierung des Vorhabens im Haushaltsplan vorgesehen.

Souveräner trat die Vorstandsvorsitzende der BSR, Stephanie Otto, auf. »Als Partnerin des Landes ist es in der DNA der BSR, Stadtsauberkeit und Ressourcenwirtschaft ganzheitlich zu denken und zu leben. Und dazu ist die Zero-Waste-Agentur ein wichtiger Baustein.« Im Rahmen des Sofortprogramms des Berliner Senats ist die Zero-Waste-Agentur bei der BSR angesiedelt.

Geleitet wird die Agentur von Meike Al-Habash. »Wir haben in den einzelnen Bezirken schon viele tolle Projekte, die aber in der Regel nicht miteinander vernetzt sind. Das heißt: Erfahrungen werden nicht so oft ausgetauscht. Durch Kooperation wollen wir helfen, gemeinsame Ziele zu formulieren und Lösungen zu finden«, sagte sie. »Ich werde versuchen, so schnell wie möglich die Akteure zusammen an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam zu überlegen, wo noch Entwicklungsfelder und Potenziale zu finden sind.«

Vorerst wird die Betriebswirtschaftlerin dabei erst einmal alleine die Arbeit der Agentur übernehmen, doch das soll sich bald ändern. »Ich habe die Aufgabe, im Laufe des Jahres ein Team aufzubauen«, sagte Al-Habash. Mit ihrem zukünftigen Team wird sie im »Impact Hub« ein Büro beziehen. Manja Schreiner wird sicherlich ab und an dort wieder vorbeischauen – wenn wieder einmal gute Bilder gebraucht werden.

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