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Immobilien: Verkauft und dann insolvent
Das Geschäftsmodell der Signa-Gruppe von René Benko wirft immer mehr Fragen auf
So gab es das noch nie. Die Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank prüfen für gewöhnlich lediglich die Geschäfte der rund 120 Großbanken im Euroraum. Zum ersten Mal nehmen sie nun einen einzelnen Kunden unter die Lupe – die Signa-Gruppe des Tiroler Immobilieninvestors René Benko. Ähnliches hatte es nur einmal vor gut zwei Jahrzehnten gegeben, als deutsche Aufseher bei acht Gläubigerbanken von Leo Kirch eine derartige, auf einen einzigen Kreditnehmer konzentrierte Sonderprüfung durchgeführt hatten. Im April 2002 war die Gruppe des Filmhändlers dann tatsächlich pleite.
Nun werden nach Berichten in österreichischen Medien alle Banken ins Visier genommen, die eine Geschäftsbeziehung zur Signa-Gruppe unterhalten. Dazu zählen auch deutsche Institute. Die Prüfer hoffen, Details rund um Kreditvergaben an die Gruppe zu erfahren. Geprüft werden sollen die hinterlegten Sicherheiten für Kredite, ob alle Zinsen gezahlt und andere Finanzkennzahlen eingehalten wurden. Wie viele Banken genau geprüft werden, steht nicht fest. Die Rede ist von rund einem Dutzend. Aus Sicht der EZB-Bankenaufsicht dürfte es letztlich darum gehen, ob die Kredite an den Galeria-Karstadt-Investor für die jeweilige Bank ein sogenanntes Klumpenrisiko darstellen, das ein Institut bei einer Zahlungsunfähigkeit von Benkos Imperium gefährden könnte.
Im Reich des Immobilien-Tycoons gibt es einige Problemzonen. Erst Anfang Juni verkaufte Benko die Möbelkette Kika/Leiner, die nur wenige Tage später Insolvenz anmeldete. Mit der Insolvenz wurden 1900 der 3900 Beschäftigten gekündigt. Dabei hatte Benko Kika/Leiner erst 2018 übernommen – mit freundlicher Unterstützung der Bundesregierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Auch andernorts macht Benko mittlerweile Kasse. So wurde bereits im März bekannt, dass Signa einen Anteil des Kaufhauses KaDeWe in Berlin an die thailändische Central Group veräußert hatte.
Benkos Strategie ist offensichtlich. Und sie erinnert an die Karstadt-Kaufhof-Übernahme. Er hatte versprochen, das operative Geschäft der Möbelkette weiterzuführen. Auch Kaki/Leiner soll einen zweistelligen Euro-Millionenbetrag für die Modernisierung der Filialen erhalten haben. Durch den Deal bekam Benko aber zugleich den Zugriff auf lukrative Immobilien und hohe Mietzahlungen.
Das österreichische Immobilien- und Handelsunternehmen Signa Holding wurde im Jahr 1999 von René Benko gegründet. Es konzentriert sich auf zwei Sparten: Die Signa Real Estate entwickelt vor allem luxuriöse Immobilien und Grundstücke in teuren Lagen, in Berlin am Alexanderplatz, in Hamburgs Hafen-City und in New York das Chrysler Building. Zur zweiten Sparte, Signa Retail, gehört unter anderem der Warenhausbetreiber Galeria/Karstadt/Kaufhof. In mehreren Fällen ist Signa Real Estate Eigentümerin der Immobilien, in der sich Galeria-Filialen befinden. Unterm Strich ist der Warenhausbetrieb nur ein kleiner Teil von Benkos Geschäftsmodell. Der größere ist die renditeträchtige Entwicklung von Immobilien, oft Häuser, in denen nicht selten (noch) Warenhäuser Mieter sind.
Lange vor der zweiten Galeria-Insolvenz innerhalb von zwei Jahren kamen Zweifel auf, ob Signa für den Erhalt der Warenhäuser genug tut. Einige Landespolitiker in Deutschland fühlen sich vom Investor unter Druck gesetzt, andere halten an der Zusammenarbeit fest. Mindestens 47 der noch 129 Galeria-Häuser wurden oder werden bis Ende des Jahres geschlossen, Beschäftigte der Kaufhäuser erwarten ihre Kündigung, Anwohner fürchten eine Verdrängung infolge der Modernisierung der Immobilien. Hauptgesellschafter der Signa Holding GmbH ist die Familie-Benko-Privatstiftung. Aus dem operativen Geschäft zog sich Benko 2013 zumindest öffentlich zurück, nachdem er in einem umstrittenen Steuerverfahren zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war.
Über den genauen Anlass, warum sich die Europäische Bankenaufsicht der EZB jetzt besonders für die Kredite an die Signa-Gruppe interessiert, lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise ist das Rad zu groß, an dem Benko gedreht hat. Die unübersichtlich verschachtelte Gruppe beziffert den Wert der eigenen Immobilien auf 28 Milliarden Euro; in der Entwicklung sollen sich zudem Projekte im Wert von 25 Milliarden Euro befinden. Zum Kipppunkt für den Konzern könnte die Zinswende werden. Seit die EZB im Juli 2022 erstmals wieder ihre Leitzinsen erhöhte, haben sich die Preise für Immobilienkredite in etwa verdreifacht.
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