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Eugenio-Botnari-Platz: Grafitti erinnert an Opfer rechter Gewalt
Ein neues Wandbild am Vorplatz des S-Bahnhofs Lichtenberg erinnert an Eugenio Botnari und andere Opfer von Rassismus und Rechtsextremismus
70 Meter Kunst setzen seit Dienstag am Bahnhof Lichtenberg ein Zeichen gegen Rassismus. Fünf Graffiti-Künstler*innen haben die Bahnhofsmauer gestaltet, um an Eugenio Botnari und andere Opfer rechter und rassistischer Gewalt zu erinnern. Der Ort wurde nicht zufällig gewählt: Bald soll der bisher namenlose Bahnhofsvorplatz Eugenio-Botnari-Platz heißen – benannt nach dem Todesopfer einer rechten Gewalttat im Bahnhof 2016.
Rund dreißig Menschen sind zu der Eröffnung gekommen. »Dieses Wandbild soll mahnen und zeigen, dass wir Rassismus in Lichtenberg keinen Platz geben«, sagt Jana Adam von der Meldestelle Lichtenberger Register, das zusammen mit dem Bezirk das Projekt organisiert hat. Auch ein Vertreter der Deutschen Bahn, Dietmar Karg, beteiligt sich an den Feierlichkeiten – die Bahn hat die Mauer zur Verfügung gestellt. »Wir stehen hier klar an Ihrer Seite, wenn es darum geht, rechte Gewalt zu bekämpfen und zu verhindern«, bekräftigt Karg.
Anschließend erklären die Künstler ihre Kunst. Philipp Beatsen hat sich für mehrere Hand-Motive entschieden – einmal verschränkt als Symbol für Zusammenarbeit, ein Fadenspiel als Zeichen der gemeinsamen Verantwortung, einmal ein Vogel aus zwei Händen. »Das sind Gesten, die zeigen, was man machen muss, damit man niemanden vergisst.« Weniger Erklärungsbedarf gibt es bei dem Schriftzug: »Niemand ist vergessen«. Das steht da in großen, bunten Lettern. Der Künstler Ismail Schumacher hat sich für ein Porträt eines älteren Mannes entschieden. »Ich wurde schon öfters gefragt, ob das die Person ist, nach der der Platz benannt wird.« Ist es nicht. Schumacher habe sich von einem KI-Bildprogramm eine Vorlage erstellen lassen, erzählt er. »Das soll eine Hommage an die Personen sein, die hier viel verweilen.«
Tatsächlich stellt die Wand nur indirekt den Fall von Botnari dar: Allein die Abbildung einer Supermarkt-Fassade nimmt Bezug auf den Tatort, wo Botnari am 17. September zusammengeschlagen wurde. Die Antifaschistische Vernetzung Lichtenberg hat den Tatverlauf in einer Broschüre rekonstruiert: So bezichtigte André S., Filialleiter einer im Bahnhof befindlichen Edeka-Filiale, Botnari des Diebstahls und schlug ihn im Getränkelager mit Quarzhandschuhen ins Gesicht. Botnari starb drei Tage später an einer Hirnblutung.
Der Mitte 30-Jährige stammte aus Moldau und war zum Zeitpunkt der Tat wohnungslos. Im anschließenden Gerichtsverfahren wurde die menschenfeindliche Gesinnung des Filialleiters S. deutlich. So schickte er einem Mitarbeiter Aufnahmen der Überwachungskamera, die den Übergriff zeigten, und schrieb dazu eine zynische und rassistische Nachricht, unter anderem mit der Formulierung »Moldawien zu Gast bei Freunden.« Im Laufe des Prozesses erhärtete sich durch Zeugenaussagen zudem der Verdacht, dass S. und weitere Kollegen regelmäßig vermeintlich migrantische Obdachlose mit den Quarzhandschuhen misshandelten. S. wurde der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gesprochen und zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.
Die Abwertung von armen, obdachlosen Menschen zeigt sich auch im Umgang mit der Platzbenennung und -gestaltung. Ismail Schumacher erzählt von einer Situation mit Mitarbeitenden des öffentlichen Dienstes, die zuerst illegales Sprayen vermutet hatten. Als der Sprayer den öffentlichen Auftrag mit Bezug zu Botnari erklärte, hätten seine Gesprächspartner abgewunken: Botnari sei ja ein Ladendieb gewesen. Eine Verharmlosung und Schuldumkehr, die sich in der Berichterstattung rechter Medien wiederfindet. Auf die Entscheidung des Bezirkes Lichtenberg im April, den Platz nach Botnari zu benennen, titelte die »B.Z.«: »Berliner Platz nach totem Ladendieb benannt«.
Um Schmierereien vorzubeugen, haben die Künstler*innen ihre Wand mit Sprühschutz lackiert. Karg von der Deutschen Bahn schlägt einer Mitarbeiterin des Bezirkes vor, eine Plakette mit Hintergrundinformationen anzubringen und bremst sich dann selbst: »Ist natürlich wieder die Frage, wen man damit provoziert?« Die Mitarbeiterin winkt ab: Davon ließe man sich nicht zurückschrecken.
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