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Ein Kontinent in Ekstase: Australien gewinnt Auftaktspiel

Dem WM-Gastgeber gelingt ein stimmungsvoller 1:0-Erfolg gegen Irland

  • Frank Hellmann, Sydney
  • Lesedauer: 4 Min.
Steph Catley sorgte mit ihrem Elfmetertreffer für australische Glücksausbrüche.
Steph Catley sorgte mit ihrem Elfmetertreffer für australische Glücksausbrüche.

Wohin bloß mit der überbordenden Freude? Steph Catley entschied sich für einen Sprint an die Seitenlinie; in Richtung dieser dreistöckigen Tribüne, von der einst eine ganz andere Sportheldin Australiens bejubelt worden war. Was einst die 400-Meter-Ikone Cathy Freeman hier geschafft hatte, das gigantische Stadion im Olympic Park von Sydney in Ekstase zu versetzen, gelang nun auch einer Fußballerin. Dass es eine zähe Angelegenheit war, ehe Co-Gastgeber Australien den 1:0-Zittersieg gegen den tapferen WM-Neuling Irland eingefahren hatte – geschenkt! »Es war eine Menge Druck da, aber ich bin stolz, wie wir diese Aufgabe bewältigt haben«, meinte die in Melbourne geborene Matchwinnerin hinterher. Catley kam aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus.

Warum bitte war erst vor zwei Tagen die Olympiasiegerin Freeman ins Camp der »Matildas« ins Queensland Sports & Athletic Centre von Brisbane gekommen? Um als Vertreterin der Aborigines ihre verbindenden Erfahrungen weiterzugeben, damit diese auch heutzutage noch eine Inspiration sein mögen. Die 50-Jährige habe als Vertreterin der Aborigines eine bewegende Rede von zeitloser Gültigkeit gehalten, hatten die australischen Spielerinnen bereits am Vortag berichtet – offenbar sichtlich beeindruckt von der Botschafterin der Ureinwohner. So wie die legendäre Leichtathletin das Gesicht der Sommerspiele 2000 war, bleibt nun erstmal Catley als erste Torschützin Australiens dieser im Winter ausgespielten WM 2023 im Gedächtnis.

Eine passende Inszenierung, an die sich der fünfte Kontinent gerne mit einer vollen Prise Patriotismus erinnert. Wenn etwas in der sportverrückten Nation besonders zählt, dann solche Storys, die das riesige Land zusammenhalten. Ein Elfmeter, den Marissa Sheva mit einem ungeschickten Schubser gegen Hayley Raso verursacht hatte, machte die Erlösung nach einer schleppenden ersten Halbzeit möglich: Danach schnappte sich die 29-jährige Catley die Kugel, um sie mit exakt 90 Stundenkilometern in den Giebel zu jagen (52.). »Ich habe einmal tief Luft geholt und da hingeschossen, wo ich hinschießen wollte«, erzählte die Abwehrspielerin vom FC Arsenal.

Insgesamt spielte die Heimelf beileibe nicht wie ein Titelanwärter, das wusste auch Nationaltrainer Tony Gustafsson. »Wir hatten einen physisch starken Gegner. Nach der Führung sind wir leider nervös geworden. Am Ende war es ein Sieg der Mentalität«, sagte der Schwede.

Schon das Abspielen der Nationalhymne löste in dem weiten Rund Gänsehaut aus. 75 784 Fans bedeuteten die nächste Rekordkulisse für australische Fußballerinnen. Dass es nach einer Schweigeminute wegen des Attentats in Neuseeland auf den Rängen lange ziemlich ruhig blieb, hatte Gründe: Ausgerechnet Starstürmerin Sam Kerr hockte an diesem besonderen Abend traurig in einer Wärmejacke auf der Ersatzbank. Die Torjägerin meldete sich mit einer im Abschlusstraining erlittenen Wadenverletzung ab. »Ich wollte dies mit allen teilen, damit es keine Ablenkung von dem gibt, was wir hier erreichen wollen«, schrieb die 29-Jährige, die auch fürs zweite Gruppenspiel gegen Nigeria (Donnerstag, 12 Uhr, ZDF) ausfällt.

Ohne die Identifikationsfigur herrschte lange Flaute in der gefährlichen Zone. Zwar stieg der Lärmpegel rasant an, wenn die Heimelf sich nur dem Strafraum näherte, doch dann verrannten sich die Angreiferinnen Caitlin Foord und Mary Fowler wiederholt. Sie habe in der Kabine trotzdem ihren Spirit als Leaderin eingebracht, verriet Catley: »Wenn eine der besten Spielerinnen der Welt ausfällt, kann das einem das Herz brechen, aber sie hat uns geholfen.« Das Ensemble von Gästetrainerin Vera Pauw verteidigte lange geschickt, um speziell in der Schlussphase am Ausgleich zu schnuppern. »Unser Plan hat funktioniert, eigentlich hätten wir einen Punkt holen können«, beteuerte die Niederländerin, »jetzt werden wir versuchen, gegen Olympiasieger Kanada zu bestehen.«

Ihr ohnehin zufriedenes Gegenüber Gustafsson (»Unser Team weiß, was es tun muss, um Spiele zu gewinnen«) hat sich nicht weniger als den Gewinn dieser Heim-WM zum Ziel gesetzt, obwohl die »Matildas« noch nie über ein Viertelfinale hinauskamen. Aber wenn Träume einmal Wirklichkeit werden, dann vielleicht an einem Ort, an dem einst für Cathy Freeman alle Wünsche in Erfüllung gingen.

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