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Für die Frauen geht’s bergauf
Die zweite Frankreichrundfahrt der Radsportlerinnen startet mit hohen Erwartungen
Die Basis ist solide. Aber jetzt wollen wir einen Schritt weitergehen», meinte Marion Rousse, die Chefin des Rennens. Sie hat den Parcours ambitioniert erweitert. «Nach der ersten Ausgabe von Paris bis in die Vogesen haben wir jetzt historische Anstiege der Tour wie den Tourmalet und den Col d’Aspin in den Parcours aufgenommen», erklärte Rousse und ergänzte: «Wir wollen, dass es die Tour de France Femmes auch in 100 Jahren noch gibt.» Das sind doch Ziele!
Auch bei den Teams ist die Haltung, dass es immer besser werden solle, weitverbreitet. «Es ist ein fantastisches Rennen. Und wir gehen da auch sportlich mit großen Erwartungen ran», sagte Brent Copeland, Manager des Rennstall-Universums von Jayco Alula, das sowohl ein Männerteam jetzt bei der Tour hat als auch ein Frauenteam zur Tour de France Femmes schickt. «Wir haben Ane Santesteban, die beim gerade zu Ende gegangenen Giro Zehnte wurde. Ein solches Ergebnis streben wir mit ihr auch jetzt an. Und wir haben Teniell Campbell, die bereit ist für große Dinge», sagte Copeland zu «nd». Campbell ist eine Rennfahrerin aus Trinidad und Tobago. Sie ist sowohl auf der Bahn wie auf der Straße erfolgreich. Und sie greift nach den Sternen: «Ich will einst so bekannt werden wie Usain Bolt», sagte sie. Auch das ist ein prächtiger Anspruch.
Manager Copeland freut sich generell darüber, wie der Radsport der Frauen in den letzten Jahren gewachsen ist: von der Anzahl der Rennen und deren Qualität her und der Aufmerksamkeit im Fernsehen. Auch am eigenen Budget merkt er es. «In den letzten drei Jahren hat sich das Budget, das wir für den Frauenrennstall ausgeben, verdoppelt.» Mit dem Budget der Männer will er es nicht vergleichen. «Bei den Männern haben wir 30 Athleten, bei den Frauen 15 und auch nur die Hälfte des Begleitpersonals», weist er auf Unterschiede hin. Einen bemerkenswerten Schritt hat der australisch-saudische Rennstall aber unternommen. «Wir zahlen den Frauen das gleiche Mindestgehalt wie den Männern», betont er. Er geht also über die von der UCI festgelegte Gehaltsuntergenze für Radprofis der Women’s WorldTour von 32 102 Euro hinaus auf die 38 115 Euro, die als Einstiegsgehalt in der WorldTour der Männer vom Weltverband vorgeschrieben werden.
Copeland begründet das auch damit, dass Rennstallgründer Gerry Ryan überhaupt erst durch den Frauenradsport zum Männerradsport gekommen ist. «Er unterstützte Kathy Watt, die bei den Olympischen Spielen in Barcelona auch prompt zwei Medaillen gewann», erzählt Copeland. Gold im Straßenrennen – vor der «ewigen» Jeannie Longo übrigens – und Silber in der Verfolgung – nach der Leipzigerin Petra Roßner. Ohne Watt gäbe es also wohl kaum den Rennstall, der die Zwillinge Simon und Adam Yates groß gemacht hat. Das ist eine feine Pointe.
Sportlich geht es bei der Tour de France Femmes vor allem darum, wer Annemiek van Vleuten schlagen kann. Im letzten Jahr gewann die Niederländerin das Rennen, obwohl sie sich in den ersten Tagen noch übergeben hatte. Aber ein phänomenaler Bergritt in den Vogesen reichte aus, um die Konkurrenz in die Schranken zu weisen. In diesem Jahr sind ihre Rivalinnen wie die Niederländerin Demi Vollering und die Belgierin Lotte Kopecky näher gerückt. Vollering überraschte mit gleich fünf Siegen bei den Frühjahrsklassikern. Auch Kopecky war im Frühjahr erfolgreich, unter anderem bei der Thüringen-Rundfahrt, der einzigen Profirundfahrt für Frauen in Deutschland. Ansonsten gibt es noch die in diesem Jahr ganz neu in den Kalender gekommenen Eintagesrennen Tour de Berlin Feminin und Grand Prix von Stuttgart.
Von einem so dürren heimischen Rennkalender ausgehend sind dann auch die Erfolgsaussichten deutscher Profi-Athletinnen nicht sonderlich hoch. Die Deutsche Meisterin Liane Lippert hat sich zwar toll weiterentwickelt, wurde unter anderem Zweite beim Wallonischen Pfeil und Dritte beim Pfeil von Brabant. Bei der Tour de France wird sie aber beim Rennstall Movistar vor allem Helferdienste für die unvergleichliche van Vleuten leisten müssen. Van Vleuten, die im Herbst 41 Jahre alt wird, fügte ihrem Trophäenschrank vor zwei Wochen ihren mittlerweile vierten Gesamtsieg des Giro d’Italia Donne hinzu. Dort war sie mit drei Tagessiegen auch die Dominatorin schlechthin. Zweite wurde die Französin Juliette Labous von DSM-Firmenich. Sie wurde im letzten Jahr Vierte bei der Tour und strebt natürlich das Podium an. Da war aber auch schon Vollering drauf. Die Gesamtzweite des Vorjahres ist auch in den ganz langen Bergen besser geworden und könnte tatsächlich van Vleuten gefährlich werden. Und ein ganz heißer Tipp ist «Kasia» Katarzyna Niewiadoma. Die polnische Rennfahrerin vom deutschen Rennstall Canyon Sram Racing hat in diesem Jahr zwar noch keinen Sieg gelandet. Die letztjährige Tour-Dritte hat aber einen langen Trainingsblock in Andorra eingelegt, um für den Tourmalet gerüstet zu sein. Für den Rennstall des Berliner Frauenradsportpioniers Ronny Lauke wäre das ein Supererfolg.
Auf die verblüffende Skibergsteigerin Antonia Niedermaier, die beim Giro van Vleuten bei einer Bergetappe besiegte(!), muss Lauke allerdings bei der Tour verzichten. Die erst 20-Jährige stürzte tags darauf und brach den Giro ab. Interessant dürfte auch der Auftritt der nur wenig älteren Teamkollegin Ricarda Bauernfeind werden. Auch sie gilt als Klettertalent, wurde Gesamtfünfte der Spanien-Rundfahrt, die, wer sonst, van Vleuten entschied. Die Niederländerin will natürlich gern ihre Karriere mit dem zweiten Gesamtsieg in Frankreich und dem Grand Slam der Grand Tours beenden. Alle drei großen Rundfahrten in einem Kalenderjahr zu gewinnen, gelang übrigens keinem Mann bisher, nicht einmal dem großen Eddy Merckx.
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