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Zentralbanken erklimmen Zinsgipfel
Die Wirtschaft der Eurozone legt den Rückwärtsgang ein
Vor dieser »Woche der Zentralbanken« hatten »die Märkte« bereits weitere Zinserhöhungen abgehakt. Zwar werden die US-amerikanische Bank Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) ihre jeweiligen Leitzinsen am Mittwoch und Donnerstag wohl noch einmal ein wenig anheben. Doch geht in der Fachwelt die Frage um, ob der Zinsgipfel bereits erreicht ist oder ob noch weitere Zinserhöhungen zu erwarten sind.
Viel spricht dafür, dass es langfristig keine weiteren Erhöhungen mehr geben wird. Zu stark belasten hohe Zinsen die wirtschaftliche Entwicklung. Aufgrund stark gestiegener Sätze sei die Kreditnachfrage in der Eurozone im zweiten Quartal deutlich zurückgegangen, teilte die EZB mit. Darüber hinaus rücken in der Diskussion um die weitere Zinspolitik vor allem der EZB mehr und mehr Konjunktursorgen in den Blick. »Schon in den letzten Sitzungen hatte die EZB festgestellt, dass die Zinserhöhungen ihre Wirkung entfalten«, also die Inflation bereits hinreichend dämpfen, schreiben etwa Analysten der Commerzbank. Auch Mário Centeno, Mitglied im Rat der EZB und zeitgleich Präsident der Zentralbank Portugals, warnt angesichts der deutlich gefallenen Frühindikatoren vor einer drohenden tiefen Rezession.
»Die Eurozone ist denkbar schlecht in das dritte Quartal gestartet«, fasst die Hamburg Commercial Bank (HCOB) die aktuelle Lage der Wirtschaft zusammen. Laut einer Umfrage der Bank, bei der rund 5000 Industrie- und Dienstleistungsunternehmen befragt wurden, ist sie im Juli deutlich gefallen. Es zeige sich vor allem »eine Schrumpfung der Aktivität« im verarbeitenden Gewerbe. Doch auch das Konjunkturbarometer für den Dienstleistungssektor signalisiert mittlerweile »Abschwung«.
Im Frühjahr 2023 hatte es zunächst noch so ausgesehen, als ob die milde Rezession, die bereits im Schlussquartal 2022 begonnen hatte, langsam ausläuft. Jetzt aber knüpft die Euro-Wirtschaft offensichtlich wieder an die negativen rezessiven Tendenzen des vergangenen Jahres an. In den letzten Monaten sind sowohl die Neuaufträge als auch die Auftragsbestände drastisch zurückgegangen, und zwar so schnell wie seit Beginn der Coronakrise Anfang 2020 nicht mehr. Die Industrie reagiert, indem sie zum ersten Mal seit Langem ihre Belegschaften verkleinert. Der seit einigen Monaten zu beobachtende Anstieg der Arbeitslosenquote dürfte sich daher wohl fortsetzen. Auch für die deutsche Volkswirtschaft sagt die HCOB-Umfrage schwere Zeiten voraus.
Sogar im Lager der »Falken« innerhalb der EZB-Spitze hinterlassen diese Anzeichen für eine schwache Konjunktur offensichtlich Eindruck. Als Falken werden Befürworter einer »restriktiven« Geldpolitik bezeichnet, die grundsätzlich für höhere Zinsen eintreten. So betonte zuletzt selbst der Oberfalke, Bundesbankpräsident Joachim Nagel, wie stark Zinsentscheidungen vom jeweiligen Datenmaterial abhängig seien und dass bis September noch jede Menge weiterer Daten veröffentlicht würden, die in die Entscheidungen der EZB einfließen werden.
Damit geben sich die Vertreter dieses Lagers deutlich vorsichtiger als nach der Juni-Sitzung der EZB. Im September dürfte die Zentralbank ihre viel zu optimistische Prognose des Wirtschaftswachstums einkassieren. Vor diesem Hintergrund könnte die EZB am Donnerstag ihre für lange Zeit vorerst letzte Zinserhöhung beschließen.
Diese Entscheidung dürfte die positive Entwicklung der Inflationsrate erleichtern. Im Juni war sie im Euroraum mit 5,5 Prozent nur noch gut halb so hoch wie bei ihrem Höchststand von 10,6 Prozent im Oktober 2022. In den kommenden Monaten wird sie voraussichtlich noch weiter fallen. Schließlich lässt nicht nur der Preisdruck bei Energie und Nahrungsmitteln nach. Beispielsweise sind auch die Preise für Rohmaterialien der Industrie merklich gefallen. Laut EZB-Vorhersage dürfte die Preissteigerungsrate bis 2025 auf 2,2 Prozent sinken. Zumindest aus Sicht einzelner EZB-Ratsmitglieder wäre damit das Ziel der Zentralbank erreicht, die Inflation bei 2 Prozent zu halten.
Als ein weiteres Argument für ein Ende der Zinserhöhungen dürften die »Tauben« im EZB-Rat, die Gegenspieler der Falken, den zuletzt stärkeren Euro anführen. Er hat gegenüber dem US-Dollar-Kurs klar gewonnen. Zuletzt kostete ein US-Dollar 0,90 Euro. Ein starker Euro macht Importe von Energie und Rohstoffen billiger und dämpft somit die Preise weiter.
In den USA ist die Inflationsentwicklung sogar noch günstiger als im Euroraum. Mit dem im Juni erreichten Wert von 3 Prozent ist das Ziel der Fed von ebenfalls 2 Prozent schon in Sichtweite. Zwar zeigt sich die Wirtschaft – anders als im Euroraum – bisher vergleichsweise unbeeindruckt von den zurückliegenden Zinserhöhungen. Aber auch in den USA dürften über den Sommer die Anzeichen für eine weitere Abschwächung der Konjunktur zunehmen. Noch höhere Leitzinsen wären aber Gift für die Konjunktur. Zudem steht 2024 in den Vereinigten Staaten die Präsidentschaftswahl an.
Die »Woche der Notenbanken« wird am Freitag in Tokio beschlossen. Die Bank of Japan, mittlerweile die zweitgrößte Zentralbank der Welt, hatte auf Corona und Energieschock ganz anders als Fed und EZB reagiert und den Ball flach gehalten. Dadurch wurde die Konjunktur nicht zusätzlich durch hohe Zinssätze belastet. Sie dürfte auch künftig an ihrer erfolgreichen Niedrigzinspolitik festhalten. Japans Wirtschaft wird daher in diesem und im kommenden Jahr voraussichtlich kräftig wachsen.
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