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Bafög-Reform: Kein Aufschrei ist auch keine Lösung

Olivier David über Kürzungen beim Bafög

  • Olivier David
  • Lesedauer: 3 Min.

Haben Sie in den vergangenen Wochen Schlagzeilen zu Streiks oder Ausschreitungen an den Universitäten gelesen? Nein? Ich auch nicht – und das hat wenig mit den Semesterferien zu tun. Auch vor dem Ende des Sommersemesters gab es an den Universitäten und Hochschulen von Freiburg bis Flensburg nur wenig Bereitschaft für Sozialprotest.

Googelt man die Schlagwörter »Studenten Protest Deutschland«, stammen die ersten drei Treffer unter den News aus Frankreich, dem Iran und Thailand. Dabei gäbe es für Proteste allen Grund: Ein Drittel der Studierenden hierzulande lebt in Armut, ebenfalls ein Drittel ist Burn-Out-gefährdet. Noch im Januar sagte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerkes: »Die Lage spitzt sich zu.«

Und die Regierung schafft Fakten: Der von der Ampel-Koalition im Juli vorgestellte Haushalt für 2024 weist Einsparungen von mehr als 650 Millionen beim Bafög auf – 400 Millionen davon beim Studierenden-Bafög. Die Ampel beruft sich hierbei auf eine Prognose des Fraunhofer-Instituts, das davon ausgeht, dass die Bedarfe schrumpfen.

Wie kann gleichzeitig ein Drittel der Studierenden in Armut leben, während das Bafög-Amt davon ausgeht, dass die Bedarfe sinken? Zumal die Einmalzahlungen, die Studierende bekommen, die zuletzt gestiegenen Mieten-, Energie- und Lebenshaltungskosten nicht ausgleichen.

Für die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« ist der Fall einfach zu erklären, Autor Gerald Wagner schreibt: »Weniger Anträge, also weniger bedürftige Studenten«. Außerdem hat Wagner noch folgende schlaue Fragen parat: »Was spricht eigentlich gegen die These, dass immer weniger Studenten Bafög beantragen, weil sie es nicht brauchen? Weil sie lieber jobben oder andere attraktivere Förderungen bekommen oder ausreichend von den Eltern unterstützt werden, selbst wenn die keine Akademiker sind?« Aus dem Phänomen, dass es eine Vielzahl an verarmten Studierenden gibt, während gleichzeitig immer weniger Menschen ihre Bafög-Förderung abrufen, abzuleiten, dass die Studierenden die Förderungen nicht brauchen – das kann nur, wen der Hintergrund nicht interessiert. Denn warum sollte, was beim Beantragen von Grundsicherung gilt, nicht auch für die Bafög-Anträge der Studierenden gelten? Wie Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus 2019 zeigen, wird beispielsweise die Grundsicherung im Alter von etwa 60 Prozent der Bedürftigen nicht abgefragt. Ähnlich sieht es bei anderen Sozialleistungen aus.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Oft werden fehlendes Wissen um die Leistungen, komplizierte Bewilligungsverfahren, Scham und sozialer Rückzug für die nicht abgerufenen Leistungen verantwortlich gemacht. In einem Text des »Spiegel« findet Matthias Anbuhl, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks, weitere Gründe für die geringeren Antragsquoten: »Weil die Bafög-Freibeträge nicht regelmäßig erhöht und Zugangsvoraussetzungen über Jahre nicht an veränderte Lebenswirklichkeiten angepasst wurden, ist die Quote der Bafög-Studierenden binnen zehn Jahren von knapp 30 auf 11 Prozent in den Keller gerauscht.« Folgt man dieser Argumentation, dann lohnt es sich für manche Studierende einfach nicht, aufwendige Anträge zu stellen, wenn man anschließend ohnehin unterhalb der Armutsgrenze leben muss.

Nun ist es auch nicht so, dass es gar keinen Widerspruch gibt. Aber: Die Mehrheit der Studierenden scheint bisher nicht das Bedürfnis zu verspüren, Proteste gegen die zunehmende Verarmung der Studierendenschaft zu organisieren. Bleibt zu hoffen, dass sich das bald ändert. Denn für die Studierenden hierzulande gilt: Kein Aufschrei ist auch keine Lösung.

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