Jim Skea: Aus dem Maschinenraum des Weltklimarates

Der neue IPCC-Chef möchte zügig den nächsten Sachstandsbericht erstellen lassen – trotz exponentiell wachsender Forschung

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 4 Min.

Der britische Forscher Jim Skea ist neuer Vorsitzender des Weltklimarats (IPCC). Er schlug im zweiten Wahlgang die brasilianische Mathematikerin Thelma Krug mit 90 zu 69 Stimmen. Skea folgt damit dem Ökonomen Hoesung Lee aus Südkorea. Wahlberechtigt waren Vertreter der 195 Mitgliedsländer des IPCC.

Der Brite Skea ist ein Urgestein des Weltklimarates, der regelmäßig Sachstandsberichte, also systematische Übersichtsarbeiten über den Forschungsstand im Klimabereich, erstellt. Der 69-jährige Energieforscher, der bis zur Emeritierung am Imperial College London lehrte, ist quasi seit Gründung im Jahr 1988 dabei und hat dort viele Positionen durchlaufen. »Ich denke, ich verstehe den IPCC von unten bis oben – in dieser Reihenfolge«, sagte Skea in einem Interview mit dem Magazin »Climatica«. Zuletzt war Skea acht Jahre lang Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe 3 (Minderung des Klimawandels) und damit »im Maschinenraum« des IPCC. Diese Kenntnis wird Skea brauchen können, denn dort, wo die eigentliche Arbeit getan wird, gab es zuletzt Probleme. Im Sommer 2022 pausierten einige Autoren, sodass die Synthese des sechsten Sachstandsberichts nicht wie geplant im Oktober, sondern erst im März 2023 fertig wurde.

Die Aufgabe von Skea ist es nun, für eine reibungslose Erstellung des siebten Sachstandsberichts zu sorgen, der neue Herausforderungen bringt: »Wir haben eine exponentiell wachsende Klimaliteratur, anspruchsvolle Verfahren und ständig steigende Erwartungen der politischen Entscheidungsträger«, sagt er. Zudem sollen künftige Berichte wieder pünktlich fertiggestellt werden, damit sie auch »politikrelevant« sind. Und dann hängt sich Skea die Latte selbst recht hoch: Der kommende Sachstandsbericht solle zur zweiten »Bestandsaufnahme« des Pariser Klimaabkommens fertig sein, also spätestens im Jahr 2028. Damit bleiben ihm nur fünf Jahre statt wie bei den anderen Berichten sechs Jahre. Zudem nimmt die Länge der Berichte mit jeder Neufassung um gut ein Drittel zu. Der siebte dürfte daher weit über 3000 Seiten haben.

Außerdem muss Skea als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik fungieren – seine eigentlichen Passion: »Manche Wissenschaftler bekommen ihren Kick durch den neuesten Artikel in ›Nature‹. Ich habe meinen Spaß daran, wenn ich sehe, dass wissenschaftliche Erkenntnisse von Entscheidungsträgern aufgegriffen und genutzt werden.« Dabei ist sich Skea bewusst, dass es an dieser Schnittstelle durchaus heikel werden kann: »Es ist ein sehr delikates Unterfangen, denn es gibt keine scharfe Trennlinie zwischen Wissenschaft und Politik. Obwohl wir absolut keine Politiker sind, wären wir dumm, wenn wir keine politischen Antennen hätten und nicht darüber nachdächten, wo die von uns erarbeiteten Botschaften ankommen und wie sie interpretiert werden«, sagte Skea gegenüber dem Nachrichtendienst »Geneva Solutions«.

Skea hat auch eine klare Vorstellung davon, wie die Berichte interpretiert werden sollen: »Eine unserer wichtigsten Botschaften war von Anfang an, dass der Mensch Einfluss darauf hat, was in der Zukunft geschehen kann.« Daher habe man im sechsten Sachstandsbericht darauf geachtet, nicht nur alle Emissionslücken und Umsetzungsschwierigkeiten zu betonen, sondern auch darauf hinzuweisen, dass wir in den letzten zehn Jahren Erfolge zu verzeichnen hatten. Er nennt insbesondere »die sinkenden Kosten und den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energien«.

Damit der nächste Bericht wieder von allen Ländern mitgetragen wird, muss Skea zudem darauf achten, dass die vielen Hundert Autoren die Vielfalt der Welt abdecken. Der IPCC wurde in der Vergangenheit dafür kritisiert, dass die meisten Autoren Männer aus Industriestaaten sind. »Ja, das ist ein Problem«, weiß auch Skea. »In Bezug auf die Geschlechterverteilung haben wir anscheinend eine Obergrenze erreicht, denn der Anteil der Frauen an den Autoren beträgt etwa 30 Prozent.« Mit Blick auf die Herkunft der Autoren spricht der neue IPCC-Chef zwar von »großen Fortschritten in Bezug auf die regionale Vielfalt, aber es gebe noch Spielraum für Verbesserungen, vor allem bei der Förderung jüngerer Wissenschaftler aus Entwicklungsländern. Auch wenn der IPCC oft als etwas dröge, von Wissenschaftlern geprägte Organisation erscheint, stehen Skea daher spannende Jahre bevor.

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