Staatsfonds für die Altersvorsorge

Die Investmentbranche wie die Versicherer freuen sich auf eine Reform der Riester-Rente

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Rente ist uns lieb und teuer. Im vergangenen Jahr haben die Ausgaben für die gesetzliche Rentenversicherung erneut den größten Kostenblock unter den Sozialleistungen ausgemacht. Das geht aus dem vom Bundesarbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD) gerade veröffentlichten »Sozialbudget 2022« hervor. Unternehmen, Lohnabhängige und der Bund zahlten insgesamt 364,8 Milliarden Euro an die Kassen der 16 gesetzlichen Rentenversicherer. Da die Einnahmen durch Beitragszahler die Ausgaben der Rentenkasse schon lange nicht mehr abdecken, finanziert der Bund aus Steuereinnahmen mit. 2020 lagen diese Aufwendungen erstmals über der Marke von 100 Milliarden Euro, mehr als ein Viertel des Bundeshaushalts. Ein Teil davon fließt in die Förderung der privaten Altersvorsorge. Dieses Geld könnte besser eingesetzt werden, meinen Verbraucherschützer.

Um solche Kritik zu verstehen, werfen wir einen Blick auf die gesetzliche Rente. Sie ist nach dem sogenannten Umlageverfahren organisiert. Wer einzahlt, bildet also keinen Kapitalstock, auf den er im Alter zurückgreifen kann, sondern er finanziert die Bezüge der aktuellen Rentner. Aber die demografische Entwicklung und politische Entscheidungen schwächen das an sich bewährte Umlageverfahren, das in der Bundesrepublik im Jahr 1957 eingeführt worden war. Die Kapitaldecke der gesetzlichen Rentenversicherung war damals infolge der Währungsreform viel zu kurz geworden, und Millionen Flüchtlinge und Kriegsversehrte sollten versorgt werden. Bis zur Reform 1957 war die gesetzliche Rente im Westen minimal.

Heute stehen den Einzahlern in das Rentensystem wieder immer mehr Rentner gegenüber. Vor diesem Hintergrund werden seit der Einführung der umstrittenen privaten Riester-Rente im Jahr 2002 von Politik und Sozialverbänden immer wieder neue Reformvorschläge unterbreitet. Als Lösung will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf den Kapitalmarkt setzen, wie er im Januar vorschlug. Aktien, verwaltet in einem Fonds, sollen sicherstellen, dass weder die Beiträge steigen noch Renten gekürzt werden müssen.

Im Frühjahr setzte die Bundesregierung dann eine »Fokusgruppe private Altersvorsorge« ein, um die Möglichkeit eines öffentlich verantworteten Fonds genauer unter die Lupe zu nehmen. 19 Vertreter aus Ministerien, Verbraucherschutz, Wissenschaft und Wirtschaft legten Mitte Juli dann ihre Empfehlungen zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge vor. »Kernproblem der bisherigen Riester-Rente ist ein Bündel von gesetzlich verankerten Regeln, die jede für sich genommen zwar durchaus Sinn machen, jedoch in der Summe zu einem unflexiblen, intransparenten und wenig rentablen Produkt geführt haben«, kritisiert Raimond Maurer, Mitglied der Fokusgruppe und Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Frankfurt/Main. Und dies habe »in den letzten Jahren kaum noch Zuspruch in der Bevölkerung gefunden«. Die Zahl der Verträge stagniert bei 16,5 Millionen.

Die Fokusgruppe will chancenreichere Anlagen mit höheren Renditen ermöglichen. Dafür schlägt sie ein förderfähiges Altersvorsorgedepot ohne Garantievorgaben vor, in dessen Rahmen Vorsorgende in Fonds und andere geeignete »realwertorientierte« Anlageklassen investieren können. Dahinter steht die Erfahrung, dass Garantien Geld kosten, die Rente also höher ausfallen könnte, wenn auf Sicherheit verzichtet wird, bei allerdings auch höherem Risiko. Die Fondsbranche wertete das Ergebnis postwendend als Erfolg und forderte eine schnelle Umsetzung durch die Bundesregierung. Wenn es künftig dann weder eine Beitragsgarantie noch zwingend eine Rentenzahlung bis zum Lebensende geben würde, käme dies der Investmentbranche mit ihren Produkten natürlich gelegen.

Mit Blick auf diejenigen, die viel Wert auf Sicherheit legen und bei der Rente kein Risiko eingehen wollen, empfiehlt die Fokusgruppe mehrheitlich, dass auch weiterhin Produkte mit Garantien angeboten werden können. Dies wiederum freut die Versicherungswirtschaft. Ihr werde es weiterhin ermöglicht, »überteuerte, unrentable und unflexible« Produkte zu verkaufen, kritisiert der Bund der Versicherten.

Lieber einen Staatsfonds als eine Riester-Reform will der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). »Die Empfehlungen der Kommission sind enttäuschend«, so Vorständin Ramona Pop. Sie wolle am maroden System mit überteuerten Sparprodukten und dürftigen Renditen für Verbraucher festhalten. »Es braucht einen öffentlich verwalteten Fonds, der breit diversifiziert das Geld der Verbraucher*innen in Aktien anlegt – verlässlich und ohne unnötige Kosten und Gebühren.« Aus Sicht des vzbv ist ein öffentlich verantworteter Vorsorgefonds privaten Angeboten wie den Riester-Produkten klar überlegen. Länder wie Schweden oder Großbritannien machten vor, dass ein solches Modell für die Sparer funktioniert und das Geld nicht vorrangig in den Taschen der Finanzwirtschaft landet.

Auch vier Wirtschaftsweise fordern statt einer Riester-Reform einen Staatsfonds nach dem Vorbild von Schweden. Allerdings zeigen andere Länder wie Österreich oder die Schweiz, dass auch die gesetzliche Rente deutlich höher als in Deutschland ausfallen kann. Allerdings wird dort ebenfalls in Politik und Gesellschaft über die zukünftige Bezahlbarkeit der Rente gestritten.

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