Linke-Vize Beutin fordert globale Klimagerechtigkeit

Reaktion auf Ankündigung von Mohamed Ali fällt kühl aus

Eigentlich sollte es an diesem Montag um ein linkes Sofortprogramm für mehr Klimaschutz gehen; dazu hatte Die Linke eingeladen. Ihr stellvertretender Vorsitzender Lorenz Gösta Beutin stellte das Programm am Montagmittag dann auch im Karl-Liebknecht-Haus vor, gefragt wurde er aber nur zu einem Thema: dem am Sonntagabend von Amira Mohamed Ali angekündigten Verzicht, bei der Wahl für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag wieder anzutreten.

Mohamed Ali begründete diesen Schritt mit dem Umgang des Parteivorstands mit Sahra Wagenknecht. Der Parteiführung wirft sie vor, »in erster Linie enttäuschte Grünen-Wähler« gewinnen zu wollen. Gegen den Kurs der Ampel-Regierung, die »nicht den Klimawandel bekämpft, sondern vor allem das Alltagsleben vieler Menschen noch schwieriger und teurer macht«, gehe die Partei nicht vor. Sätze, die man als Spitzen gegen Lorenz Gösta Beutin deuten kann. Vor allem aus dem Wagenknecht-Lager wird ihm der Vorwurf gemacht, die Partei zu einer linksliberalen Variante der Grünen umbauen zu wollen.

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Bei der Pressekonferenz reagierte Beutin kühl auf die Ankündigung der Noch-Fraktionsvorsitzenden: Der Parteivorstand respektiere die Entscheidung von Amira Mohamed Ali und bedanke sich für die geleistete Arbeit. »Leerstellen«, gerade in der Klimapolitik, sieht Beutin erwartungsgemäß nicht. Nur eine Linke, die »auch auf die Herausforderung des Klimawandels eine glaubwürdige und gerechte Antwort hat«, habe eine Zukunft.

In den »letzten Monaten, vielleicht sogar Jahren«, habe man eine »lebendige Debatte« in der Partei gehabt, wie mit »gesellschaftlichen Krisen« umgegangen werden solle. Mittlerweile sei aber der Punkt erreicht, wo es Beschlüsse gebe, und da sei es »auch Aufgabe der Repräsentant*innen dieser Parteien, die Beschlüsse zu repräsentieren«. Der Parteivorstand habe mit dem Wagenknecht-Beschluss im Juni die Inhalte und die »Pluralität der Partei« verteidigt. Ziel des Vorstandes sei es, die Partei wieder auf »solide Füße« zu stellen.

In der Klimapolitik soll das mittels eines 100-Milliarden-Euro-Programms geschehen, dessen Inhalte Beutin am Montag auch vorstellte. Auffällig ist dabei vor allem, dass der stellvertretende Parteivorsitzende einen Fokus auf Deutschlands klimapolitische Verantwortung in der Welt legte. Ein weiteres Zeichen für die Hinwendung zur Klimabewegung, in der globale Gerechtigkeitsfragen und die Verantwortung der Industrienationen seit Jahren diskutiert werden und auf die viele Aktionen abzielen.

In diesem Kontext kritisierte Beutin die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung als »verheerend«. Durch diese würde das »alte fossile Modell«, bei dem 70 Prozent der Energie importiert wurden, einfach fortgeführt. Der Globale Süden werde zum reinen Wasserstofflieferanten. Das sei nur eine Fortschreibung »alter Ausbeutungsverhältnisse«. Dies könne nicht die Antwort sein. Deutschland müsse die Verantwortung, die es bei der Klimakonferenz übernommen habe, ernst nehmen und einen »Technologietransfer in den Globalen Süden« einleiten. Finanzielle Mittel müssten bereitgestellt werden, ein Schuldenschnitt sei essenziell. Eine solche Politik sei das Beste, um Gerechtigkeit zu erreichen, damit bekämpfe man außerdem Fluchtursachen und betreibe aktive Friedenspolitik.

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Beim Klimaschutz in Deutschland stellte Lorenz Gösta Beutin ebenfalls Gerechtigkeitsaspekte heraus. Die Energiewende dürfe nicht an »internationale Konzerne verscherbelt« werden. Beutin forderte etwa die Förderung von Energiegenossenschaften. Der Netzausbau müsse ohne Profitorientierung erfolgen. In Dänemark, das in Sachen Wärmeversorgung als europäisches Vorbild gilt, gebe es zum Beispiel ein Verbot, mit der Wärmeversorgung Gewinne zu erzielen. Für Lorenz Gösta Beutin ein System, das man letztlich als »sozialistisch« bezeichnen könne.

Auch andere Punkte, die im deutschen Klimadiskurs selten thematisiert werden, streifte der Linke-Politiker. Zur Klimaanpassung erwähnte Beutin, dass es im vergangenen Jahr im Frankfurter Umland schon Proteste gegen die Versorgung der Großstadt bei gleichzeitigen Restriktionen vor Ort gab. Man habe es mit »realen sozialen Konflikten« zu tun, so Beutin. Dafür brauche es vom Bund Antworten, bei denen die Versorgung der Bevölkerung im Zentrum stehe. Beutins Vorstellung zeigt, Die Linke will einen Gerechtigkeitsbegriff entwickeln, der über Mindestlohn und Renteneintrittsalter hinausgeht.

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