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»The Sound of Freedom«: QAnon im Kino
Anstelle von Barbie oder Oppenheimer propagiert die extreme Rechte »The Sound of Freedom« als den cineastischen Sommerhit, sagt Natascha Strobl
Die Story ist schnell erzählt: Ein ehemaliger Special Agent der US-Homeland Security schmeißt seinen Job hin, um Kinder aus Sklavenschaft und sexualisierter Gewalt in Südamerika zu retten. Nun ist es erstens so, dass die Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht. Tim Ballard existiert, er hat eine NGO namens Operation Underground Railroad gegründet und tatsächlich geholfen, mehrere hundert Kinder und Erwachsene zu retten. Das muss man respektvoll anerkennen. Zum zweiten ist es so, dass Ballard immer weiter Richtung christliche Rechte abgedriftet ist. So hat er Trump beraten und ventiliert auch gerne QAnon-Verschwörungsideologie. Dementsprechend sind die größten Fans des Films auch das Sammelsurium jener Medien-Rechtsextremen, die das Scharnier zur Verschwörungsszene bilden. Ben Shapiro, Fox News oder auch Elon Musk hypen den Film ins Unermessliche. Das liegt auch daran, dass der Film sehr stark mit rechtschristlicher und borderline-verschwörungsideologischen Bildern und Narrativen hantiert.
Und da kommen wir zum eigentlichen Problem: Ein etwas pathosgeladener Film über einen mutigen Einzelhelden, der die Welt und die Kinder und die Freiheit rettet, während im Sonnenuntergang die amerikanische Fahne weht, wäre nicht das Problem. Das ist alles schon mal dagewesen. Zumal hier ein tabuisiertes und reales Problem angesprochen wird, das viel zu selten in den Mittelpunkt gerückt wird: Sexualisierte Gewalt und Menschenhandel. Davon sind Kinder wie Erwachsene betroffen und es ist einer der größten illegalen Wirtschaftszweige überhaupt. Dieses reale Problem wird aber im Film mit bekannten rechtsextremen, verschwörungsideologischen und antisemitischen Bildern vermischt, etwa Anklängen der Ritualmordlegende. Diese jahrhundertealte Geschichte besagt, dass reiche jüdische Kaufleute kleine (christliche) Kinder entführen und sie rituell opfern. Ingrid Strobl hat sich in ihrem lesenswerten Buch »Anderl und das Andere« eingehend damit auseinandergesetzt. Bis heute finden Wallfahrten für diese vermeintlich getöteten Kinder statt. Die Ritualmordlegende ist eine der stärksten Wurzeln für den Vernichtungsantisemitismus des 19. Jahrhunderts und für Verschwörungsideologien wie QAnon. Denn die fabuliert von blutleeren städtischen Eliten, die das Blut - bzw. den Beistoff Ardenochrom – von kleinen Kindern brauchen, um ewig leben zu können. Deswegen gibt es geheime unterirdische Gefängnisse, wo diese Kinder angeblich gehalten werden.
In dieser Verwurstung von Realität mit Einbildung wird der Film zum Problem. Zumal die Macher und Schauspieler*innen auch noch raunen, dass der Film angeblich verhindert werden sollte, weil er zu nah an der Realität ist. Sprich: Hollywood will den Film nicht, weil sie alle mit drin hängen. Den Film anschauen wird also zum Akt des Widerstandes gegen dieses geheime Elitennetzwerk erklärt. Das kennen wir aus jeder Marketingskampagne von rechts der letzten fünf Jahre: »Sie wollen nicht, dass DU dieses Buch liest, diesen Podcast hörst, diesen Film siehst...«
Hinzu kommt, dass ein weiterer Skandal fabriziert wurde: Angeblich würde das Geheimnetzwerk verhindern, dass Menschen den Film im Kino schauen können. Nirgends gibt es Karten. Skandal, Skandal. Wie mittlerweile Journalist*innen und Aktivist*innen aufgedeckt haben, gehört das zur Marketingstrategie dazu: Alle Plätze eines Kinos werden aufgekauft, eine Person setzt sich rein, macht ein Foto und beschwert sich dann lautstark über Zensur.
So weit, so durchschaubar – aber wirkungsvoll. Astroturfing nennt man diese Strategie: Künstliches und bezahltes Hypen und so tun, als gäbe es einen realen Aufruhr. Mit Erfolg: Der Film erreicht nicht die Höhen von Barbenheimer, aber hat bereits eine ansehnliche Summe eingespielt. Der reale Schaden ist aber, dass eines der größten Probleme auf dieser Welt (Menschenhandel und sexualisierte Gewalt) zum Marketing-Kulturkampf-Gag für die extreme Rechte verkommt.
Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.
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