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Kampfansage der Letzten Generation
Klimaaktivisten kündigen auf Herrenchiemsee weitere Klebe-Aktionen in Bayern an
Mit dramatischen Appellen haben die Mitglieder der Letzten Generation am Donnerstag weitere Proteste mit Schwerpunkt Bayern angekündigt. »Wir starten am Montag in Würzburg und ziehen dann nach Süden«, so Klimaaktivist Ernst Höhrmann bei einer Pressekonferenz auf der Herreninsel im Chiemsee. Hier wurde vor 75 Jahren das Grundgesetz geschrieben. Doch die darin formulierten Grundwerte würden von den Verantwortlichen für die gegenwärtige Klimapolitik »begraben«, beklagte Aktivistin Anja Wind; ihre Kollegin Lena Mair warnte vor einem Deutschland, in dem wegen des Klimawandels »die Gesellschaft zusammenbricht«. Man werde deshalb die Protestform des Festklebens fortführen, auch in der Landeshauptstadt München.
Auf Schloß Herrenchiemsee war vor 75 Jahren von einem Verfassungskonvent das Fundament für das deutsche Grundgesetz gelegt worden. Diesen historischen Ort und Zeitpunkt nutzte die Klimabewegung Letzte Generation zu einer Ankündigung für weitere Proteste auf der Straße mit Schwerpunkt Bayern, dem »Land der großen Worte und kleinen Taten«. Denn die im Grundgesetz verankerten Menschenrechte würden durch die gegenwärtige Klimapolitik nicht mehr gewährleistet. So sei die zunehmende Hitze eine der tödlichen Auswirkungen des Klimawandels, viele Hitzetote seien zu beklagen. »Wo ist hier das Recht auf Leben?«, so Letzte-Generation-Sprecherin Anja Windl. Auch das Recht auf Eigentum werde verletzt, etwa durch die Schäden bei Überschwemmungen. Windl: »Stellen Sie sich vor, dass Ihr eigenes Haus unter Wasser steht!« In einer Welt von immer mehr Flutkatastrophen könne das Recht auf Eigentum nicht mehr gesichert sein.
Angesichts einer drohenden Klimakatastrophe, in der »die Kinder dem Elend nicht mehr entrinnen« könnten, warf der 73-jährige Ernst Höhrmann der Bundesregierung einen Verfassungsbruch vor. Man werde den Protest weiter in die politischen Hochburgen tragen und »das, was wir bisher gemacht haben, weiterführen«, also sich erneut an Straßen oder Autobahnen festkleben und den Verkehr zum Erliegen bringen. Was über den angekündigten Auftakt der Protestwelle in Würzburg mit einer Demonstration hinaus von den Klimaaktivisten in Bayern geplant ist, wollte Höhrmann nicht sagen.
Zu den Forderungen der Letzten Generation gehören neben der Einberufung eines Gesellschaftsrats zur Klimapolitik die Einführung eines bundesweiten Neun-Euro-Tickets für den öffentlichen Verkehr und ein Tempolimit für Autos. Zum Gesellschaftsrat schreibt die Initiative: »Es ist an der Zeit, dass diejenigen, die schon heute am stärksten unter den katastrophalen Folgen der Klimakatastrophe leiden, mehr Mitspracherecht bekommen.« Sie ruft die Regierung deshalb dazu auf, eine geloste Notfallsitzung einzuberufen, um die Wende einzuleiten. Diese soll Maßnahmen erarbeiten, »wie Deutschland bis 2030 die Nutzung fossiler Rohstoffe beendet«.
Ihre Aktionen rechtfertigt die Letzte Generation mit einer drohenden Klimakatastrophe. So sähen die Vereinten Nationen (UN) keinen glaubhaften Kurs mehr, auf dem die 1,5-Grad-Grenze noch eingehalten werden könne. Um die schlimmsten Folgen der Klimakrise noch zu begrenzen, brauche es einen radikalen gesellschaftlichen Wandel. Die Bewegung stützt sich vor allem auf die Expertise des Weltklimarates IPCC, einer Organisation der UN. Dessen Szenarien ergäben, dass die 1,5-Grad-Erwärmung bereits um das Jahr 2030 herum erreicht werde. »Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle gesichert werden kann, schließt sich rapide«, schreibt der IPCC in seinem jüngsten Bericht.
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