Das wird man doch noch sagen dürfen

Die AfD will eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad, wir brauchen ganze 1080 Grad

  • Alexander Estis
  • Lesedauer: 4 Min.
Ezzes von Estis

Alexander Estis, freischaffender Jude ohne festen Wohnsitz, schreibt in dieser Kolumne so viel Schmonzes, dass Ihnen die Pejes wachsen.

Manche werfen mir vor, ich sei ein AfD-Feind. Ein Pegida-Gegner. Ein Höcke-Hater. Ein Gauländer-Hasser. Ein Antisächsist. Dabei habe ich sogar einen Freund, der früher bei der AfD war. Und der Schwippschwager meiner Urgroßnichte hat 2014 gepostet, dass er die Euro-Politik der AfD befürwortet. Wie könnte ich da bitte ein AfD-Hasser sein? Denkt doch selbst einmal nach!

Nein, wirklich. Ich bewundere die AfD sogar in mancherlei Hinsicht, ja, in vielerlei Hinsicht bewundere ich sie sogar, diese AfD! Was die AfD nicht schon alles geschafft hat, was die AfD nicht alles leistet! Die AfD will zum Beispiel deregulieren. Und das hat sie nun wirklich hervorragend geschafft. Ganz hervorragend, zumindest intern. Und dann das mit der deutschen Leidkultur, das haben sie auch wirklich wunderbar hingekriegt. Dank der AfD begreifen die Menschen, wie viel sie leiden. All die Zufriedenheit, all der Wohlstand, all das ist verpufft; der stolze Deutsche darf sich wieder als trauriges Opfer fühlen. Oder das mit dem großen Austausch, mit dem Austausch der Bevölkerung. Den wollen sie doch verhindern. Und, ich frage euch, gab es, seit die AfD existiert, einen Bevölkerungsaustausch? Gab es nicht. Da seht ihr, was die AfD alles leistet!

Aber am wichtigsten: Die AfD, die versteht uns Juden. Sie versteht unsere Zores, unsere Dajes, unsere Sorgen. Die AfD will Garant sein für jüdisches Leben in Deutschland. Emmes, das ist absolut wahr. Sie sagt ja nicht, dass es ein gutes Leben sein muss. Außerdem will sie einstehen für die jüdisch-christlichen Grundlagen unserer Kultur. Die berühmten jüdisch-christlichen Grundlagen, die seit fast zwei Jahrtausenden auf deutschem Boden gedeihen im friedlichen Miteinander von Christen und Juden, Juden und Christen, seit Jahrhunderten immer friedlicher, friedlicher, friedlicher.

Und jetzt kommen die Muselmänner und machen das alles zunichte, diese Eintracht, diese Einigkeit, diesen Einklang. Natürlich will sich die AfD vor ihnen schützen, mithilfe der Juden. Außerdem kommen sie ja nicht allein, die Muselmänner, sondern auch die Muslime kommen und sogar die Moslems! Deshalb ist doch nur allzu verständlich, was die AfD will. Die AfD will nämlich direkte Einwanderung in die Sozialsysteme dringend unterbinden. Und das kann man doch nur befürworten. Die Einwanderung der Rechten in die Sozialsysteme ist dringend zu unterbinden! Gerade wer aus rein wirtschaftlichen Motiven von rechts des Rechtsstaates in den linken Sozialstaat einwandert, dessen Sozialhilfe ist umgehend auf ein rechtlich zulässiges Minimum an Sachleistungen zu reduzieren.

In manchen Punkten wäre ich sogar noch radikaler als die AfD. Die AfD lehnt zum Beispiel den Doppelpass ab. Ich wäre da noch radikaler! Ich würde auch den Steilpass, den Querpass und erst recht den Rückpass ablehnen. Daneben gern auch den Bergpass und den Kompass dazu. Oder: Die AfD will eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad. Ja, die brauchen wir unbedingt, wir brauchen unbedingt eine erinnerungspolitische Wende! Aber so ist es mir einfach noch zu wenig. Warum dabei stehenbleiben? Ich würde deutlich weiter gehen! Wir brauchen eine erinnerungspolitische Wende um ganze 1080 Grad!

Gut, ich verstehe, die AfD will nicht zu radikal sein, sie will bürgerlich bleiben. Ganz recht. Ich verstehe die AfD in vielen Dingen, ja, in vielen Dingen verstehe ich sie, diese AfD! Warum fliegt die AfD nicht aus dem Bundestag? Weil ihr der Flügel gestutzt wurde. Warum steht die AfD zu Russland? Weil sie in der Russenhöcke ist. Warum ist die AfD in Sachsen so stark? Weil man von dort aus am schnellsten nach Polen einmarschieren kann!

Wer mir jetzt wieder vorwirft, ich sei ein AfD-Feind: Mit keinem Wort habe ich gesagt, dass die AfD nazistisch sei! Ich habe nie von Wutbürgern gesprochen, nur von Blut- und Bodenbürgern. Und wenn ich gesagt habe, die AfD wird ein Vogelschiss der Geschichte bleiben, dann berief ich mich darauf, dass die Exkremente von Flugtieren in gewissen Kulturkreisen als glücksbringend angesehen werden. Das versteht doch wirklich jedes Kind. Wer das missdeutet, der macht das bewusst und mit böser Absicht. Und wenn ich sonst irgendwas gesagt habe, das hätte so verstanden werden können, wie es nicht hätte verstanden werden sollen, dann wollte ich das natürlich ganz anders verstanden wissen, als ich es nicht hätte gemeint haben können, indem ich es eben so dachte gesagt haben zu müssen brauchen.

Und das wird man jawohl noch sagen dürfen. Man wird jawohl sagen dürfen, dass man sagen dürfen wird, was man ohnehin schon gesagt hat. Denn ich bin wirklich kein AfD-Feind. Meine Ziele sind denen der AfD äußerst ähnlich, ja, besonders in einem Punkt sind meine Ziele den Parteizielen ganz ähnlich: Das Ziel der AfD ist ein schlanker, aber starker Staat. Mein Ziel ist eine schlanke, aber schwache AfD. So schlank, dass Heidi Klum sie zu McDonald’s schleppt aus Angst, dass sie sich auflösen könnte. Natürlich, auch da stimme ich wieder der AfD zu, es gibt keine Pflicht zur moralischen Selbstauflösung. Absolut wahr! Eine moralische Pflicht zur Selbstauflösung der AfD gibt es nicht. Es gibt nur einen moralischen Imperativ. Aber ansonsten bin ich wirklich alles andere als ein AfD-Feind!

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