Berliner Freibäder: Auf engem Raum eskaliert es

In Berliner Bädern teilen sich immer mehr Menschen wenig Platz

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.

»Haben die Berliner Bäder vor der Gewalt kapituliert?«, »Jugendliche provozieren Räumung«, »Polizeigewerkschaft fordert Besucher-Obergrenze in Berliner Freibädern«. Das sind Schlagzeilen aus 2017 und 2022, die aber genauso gut diesen Sommer wieder zu lesen waren. Auch im Juli ist es wieder zu Rangeleien zwischen Badegästen sowie Angriffen auf das Personal der Berliner Bäder gekommen. Das Neuköllner Columbiabad musste von der Polizei geräumt werden. Das Personal schrieb einen Brandbrief und meldete sich krank.

Die Vorfälle haben nicht nur in Berlin für Aufsehen gesorgt. Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) sprachen sich nach den Vorfällen im Columbiabad für mehr Polizei aus. Doch der Berliner Senat wollte nicht an jedes Handtuch einen Polizisten stellen. Die Polizei hat dafür ohnehin keine Kapazitäten. Stattdessen ist es nun erforderlich, neben der Badehose einen Ausweis zum Schwimmen einzupacken. In vier Bädern wird der Eingang seit August zusätzlich videoüberwacht. Vor allem mit der Ausweispflicht sollen Hausverbote auch durchgesetzt werden können.

Laut den Bäderbetrieben sind die Gründe für die Eskalationen vielfältig. Diese reichen von Streitereien an Rutschen und Sprungtürmen über sexuelle Belästigungen inklusive der Reaktion durch Begleitpersonen bis zum unbefugten Betreten des Geländes mit anschließenden Konflikten mit dem Sicherheitspersonal. »Die Lage in den Freibädern hat sich deutlich beruhigt«, hieß es von den Bäderbetrieben dann aber bereits Ende Juli. Von »merklicher Entspannung« sprach zu dem Zeitpunkt auch die Berliner Polizei. Beide nennen das Wetter als wichtigen Grund. Weit entfernt sind die Sommerbäder aktuell von Besucherrekorden wie am 9. Juli, als 73 000 Menschen dorthin strömten. Wenn es in den Sommerferien noch einmal heiß wird und wieder viele Jugendliche auf engem Raum zusammenkommen, wird es dann vielleicht auch noch einmal hoch hergehen – ansonsten dann halt nächstes Jahr wieder.

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Zwischenzeitlich war wegen der Corona-Pandemie und den Einlass-Beschränkungen Ruhe in den Bädern eingekehrt. Im Vergleich zum Vorjahr über 50 Prozent mehr Gäste zählten die Bäder dann in der Saison 2022, als es keine Corona-Beschränkungen im Betrieb mehr gab. Gerade in innerstädtischen, dicht besiedelten Bezirken müssen sich viele Badelustige wenige Quadratmeter Wasser und Rasen teilen. Der Linke-Bezirkspolitiker Moheb Shafaqyar machte zuletzt den Vergleich auf, dass den Einwohnern in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln drei Bäder zur Verfügung stehen, während es in Düsseldorf bei gleich vielen Einwohnern 14 öffentliche Bäder gebe. Tatsächlich werden in Berlin seit den 1970ern keine neuen Sommerbäder gebaut. Eine Neubauoffensive für Kombibäder, die ebenfalls im Winter nutzbar sind, wird es auch nicht geben. Einen Neubau in Mariendorf sagten die Bäderbetriebe Ende vergangenen Jahres ab. Zu hohe Kosten, das bestehende Bad wird saniert.

Dort, wo viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen, heizt sich die Stimmung schnell auf. Die Statistik der angezeigten Gewaltdelikte zeigt aber: Auf über drei Millionen Badegäste kamen 2022 exakt 57 Strafanzeigen wegen Gewaltdelikten, dieses Jahr sind es bisher 48. Rechtsextreme wie die Jugendorganisation der Partei Der Dritte Weg schüchterten bereits migrantische Badegäste ein. Auch in der öffentlichen Debatte pünktlich zu Beginn des Sommerlochs wird immer wieder, wie auch von der Gewerkschaft der Polizei, ein »Migrationshintergrund, wo das Machogehabe ohnehin sehr ausgeprägt ist« als Grund für die Randale angeführt. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte sogar Schnellverfahren gegen Freibad-Gewalttäter. Solche Einwürfe tragen im Gegensatz zum Wetter nicht zu einer Entspannung in den Bädern bei. Trotzdem kann man auch im kommenden Sommer wieder mit ihnen rechnen.

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