Kiewer Höhlenkloster: Zwist unter Glaubensbrüdern

Das Kiewer Höhlenkloster ist wegen Nähe zu Moskau nun für Externe geschlossen

  • Bernhard Clasen, Kiew
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine Gläubige betet auf dem Gelände des Kiewer Höhlenklosters. Das für die Orthodoxie bedeutende Kloster ist zum Symbol des Kirchenmachtkampfs zwischen Russland un der Ukraine geworden.
Eine Gläubige betet auf dem Gelände des Kiewer Höhlenklosters. Das für die Orthodoxie bedeutende Kloster ist zum Symbol des Kirchenmachtkampfs zwischen Russland un der Ukraine geworden.

Alles ist anders an diesem Tag am Eingang des Kiewer Höhlenklosters, des geistigen Zentrums der ukrainischen Orthodoxie. Polizisten stehen am verbarrikadierten Eingang, in einem vergitterten Bus sitzen Nationalgardisten und sehen aufmerksam auf ihre Smartphones. Vor den Polizisten, die den Eingang bewachen, haben sich mehrere Dutzend Gläubige aufgestellt, fast alle von ihnen Frauen mit Kopftüchern, viele von ihnen mit einem Kreuz in der Hand. Sie singen christliche Lieder, ab und zu unterbrochen von einem »Halleluja« oder einem »Herr erbarme dich«.

Seit Freitag ist das Höhlenkloster für Besucher, Touristen und Gläubige geschlossen. Mönche hingegen und Frauen, die auf dem Gelände arbeiten, können den Eingang passieren, in beide Richtungen. Und immer, wenn ein Mönch herauskommt, wird die kleine Gruppe von maximal fünf Gegendemonstranten, die sich vor dem Kloster versammelt hat, laut: »Verzieh dich nach Moskau« ist der häufigste Spruch.

Kiews Kirche sagt sich von Moskau los

Worum geht es? Lange Jahre hatte die Ukrainisch-orthodoxe Kirche (UPZ) in der Ukraine das Monopol auf den orthodoxen Glauben. Seit Januar 2019 gibt es zwei große orthodoxe Kirchen, die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche unter dem kirchlichen Oberhaupt Metropolit Onufrij und die Orthodoxe Kirche der Ukraine (PZU) unter Metropolit Epiphanius.

Die UPZ gehörte lange Jahre zur russisch-orthodoxen Kirche. Deswegen hatte sie auch den Beinamen »Moskauer Patriarchat«. Doch drei Monate nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sagte sich die UPZ im Mai 2022 von Moskau los. Der Grund war, dass man den Kurs der russisch-orthodoxen Kirche, die den russischen Krieg unterstützt, nicht mittragen wollte.

Gleichwohl liebt man es auch noch heute in der Ukraine, die Kirche mit dem propagandistischen Prädikat »Moskauer Patriarchat« zu verunglimpfen. Man macht sich zunutze, dass die russisch-orthodoxe Kirche die UPZ weiterhin als einen Teil ihrer Kirche ansieht. Und dieses Moskauer Anspruchsdenken hat zur Folge, dass ein Gutachten des staatlichen ukrainischen Dienstes für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit zu dem Schluss kommt, die UPZ sei gar nicht, wie sie behauptet, von Moskau unabhängig. Dass das Moskauer Patriarchat im Juni 2022 die Krim der Metropolie (Kirchenprovinz) von Kiew weggenommen und eine eigene Metropolie Krim geschaffen hat, macht deutlich, dass man in Moskau seinen ehemaligen Glaubensbrüdern auch nicht über den Weg traut.

Regierung im Kampf gegen russischen Einfluss

In Kiew hat sich die Regierung den Kampf gegen die UPZ auf die Fahnen geschrieben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am 2. Dezember 2022 einen Gesetzesentwurf an die Werchowna Rada, das ukrainische Parlament, übermittelt, mit der die ukrainisch-orthodoxe Kirche verboten werden soll. Am gleichen Tag wurde das Kiewer Höhlenkloster per Dekret der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche entzogen und der Orthodoxen Kirche der Ukraine übertragen. Dies hat nun ein Gericht bestätigt.

Am 10. August 2023 entschied ein Kiewer Wirtschaftsgerichtsgericht, die UPZ müsse dem staatlichen Klostermuseum 79 Gebäude auf diesem Territorium zurückgeben. Faktisch bedeutet dies, dass die UPZ das Höhlenkloster mit seinen Kirchen, der Schule sowie einem Hotel und anderen Gebäuden verlassen muss. Auch dieses Mal steht Selenskyj in vorderster Front gegen die UPZ. Der Staat werde niemals zulassen, so Selenskyj mit Blick auf die UPZ, dass eine der ukrainischen Religionsgemeinschaften von einem Aggressorstaat benutzt werde.

Orthodoxe Vorherrschaft in der Ukraine noch nicht entschieden

Früher oder später werden die ukrainischen Machthaber im Bund mit der Orthodoxen Kirche der Ukraine die Mönche wahrscheinlich gewaltsam aus dem Höhlenkloster vertreiben. Die juristischen Voraussetzungen dafür sind spätestens seit dem jüngsten Gerichtsurteil gegeben. Beendet ist der Kampf um die Vorherrschaft im orthodoxen Bereich damit allerdings noch lange nicht.

Nach Angaben des ukrainischen Kultusministeriums besitzt die UPZ mit Stand vom 27. Juni 2023 9990 kirchliche Gebäude, während die PZU 5776 Gebäude zählt. Gleichzeitig umfasst die Ukrainische Orthodoxe Kirche, so das Kultusministerium, 11 781 Gemeinden, während es bei der Orthodoxen Kirche der Ukraine 7861 Gemeinden sind.

Das tatsächliche Zahlenverhältnis dürfte noch etwas günstiger für die Orthodoxe Kirche der Ukraine ausfallen. Fast täglich ist vom Übertritt einer Gemeinde der UPZ zur PZU zu lesen. Diese Zahlen sagen aber auch, dass der Kampf um die Vorherrschaft in der ukrainischen Orthodoxie auch mit einem Sieg von Staat und PZU im Höhlenkloster noch lange nicht beendet sein dürfte.

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