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Afghanistan und der Westen: Friedhofsruhe
Jana Frielinghaus zur Verantwortung des Westens für Afghanistan
Die Zeit der grauenhaften Anschläge, denen oft Dutzende junger Menschen zum Opfer fielen, ist in Afghanistan vorbei. Es ist relative Ruhe eingekehrt. Doch die Menschen im Land bezahlen teuer für diese Ruhe, insbesondere die Frauen, denen nach und nach alle in den 20 Jahren westlicher Besatzung zugestandenen Rechte wieder entzogen werden.
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die Nato-Militärs in weiten Teilen des Landes niemals Beschützer der Frauen und Mädchen waren. Vielerorts herrschten die Taliban oder aber andere Fundamentalisten lange vor dem Abzug des Westens, Anschläge auf Mädchenschulen häuften sich, und Schwangere brauchten die Zustimmung des Ehemannes, wenn sie bei Komplikationen einen Arzt aufsuchen mussten. Gerade Politikerinnen, die etwas bewegen wollten, schwebten ständig in Lebensgefahr.
Jetzt leidet die Mehrheit der Menschen im Land unter extremer Existenznot, der Hunger grassiert. Dafür ist der Westen maßgeblich mitverantwortlich. Für die Lage der Bevölkerung Afghanistans interessierten sich die USA, die Nato und die EU-Staaten schon während der Besatzung kaum. Geflüchtete wurden dorthin abgeschoben, obwohl Afghanistan neben Syrien als gefährlichstes Land der Welt galt. Man erinnere sich an den deutschen CSU-Innenminister Horst Seehofer, der sich 2018 an seinem 69. Geburtstag über 69 abgeschobene Afghanen freute. Nach dem übereilten Abzug aus dem Land froren die USA afghanische Staatsgelder ein, was die herrschende Wirtschaftskrise befeuerte. Wenn Hilfsorganisationen jetzt fordern, pragmatisch mit den Taliban zu kooperieren, um die Grundversorgung von Menschen mit Nahrung und Medizin sichern zu können, ist das bitter. Aber letztlich gibt es keinen anderen Weg.
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