- Kommentare
- Bundesregierung
Pannenflieger Fortschrittskoalition
Die Sommerpause ist fast vorbei, der politische Streit geht los
Mit Temperaturen um die 30 Grad fängt der Sommer in Berlin gerade erst wieder an, da werden allerorten bereits die letzten Freiluft-Events angekündigt und das Ende der Saison angekündigt. Auch die parlamentarische Sommerpause geht langsam zu Ende – Journalist*innen atmen auf, weil sie nun nicht mehr aus jedem Wildschwein eine Löwin machen müssen. Und nicht mehr aus einem Faschisten einen normalen Politiker, den man mit Zustimmung statt mit scharfen und pointierten Fragen interviewen möchte (nicht dass Journalist*innen normalen Politiker*innen nicht auch scharfe Fragen stellen sollten, aber auch in unserer Branche gibt es halt solche und solche).
Der Bundestag beginnt mit seinen Sitzungen in gut zwei Wochen am 4. September, das Kabinett tagt bereits wieder und während Bundeskanzler Olaf Scholz noch Wahlkampfhilfe für die SPD in Bayern leistet, haben Grüne und FDP bereits in den Kampfmodus geschaltet.
Am Mittwoch hat Lisa Paus im Kabinett das sogenannte Wachstumschancengesetz von Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner blockiert. Damit wolle sie der Kindergrundsicherung endlich zum Durchbruch verhelfen, hieß es.
Die FDP rieb sich verwundert die Augen und empörte sich: Wie jetzt, Gesetze blockieren können auch andere? Das galt bisher als Spezialität der FDP-Minister Lindner und Marco Buschmann. Im Interview mit der »FAZ« wollte Paus dann auch gar nichts blockiert haben, das Thema sei lediglich auf die Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg Ende August verschoben worden.
SPD-Chef Lars Klingbeil zeigte sich »fassungslos« über diesen »Streit«. Er habe gedacht, alle hätten verstanden, dass es die Aufgabe der Regierung in dieser historischen Umbruchphase sei, »Sicherheit, Orientierung und Stabilität« zu geben. Sicherheit, Stabilität ... hatte sich die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag nicht selber als Fortschrittsregierung bezeichnet? Aber Stabilität ist vielleicht in unsicheren Zeiten tatsächlich einfacher, vor allem, wenn zumindest ein Koalitionspartner nicht zu wissen scheint, wo überhaupt vorne ist.
Die missglückte Südpazifik-Reise von Annalena Baerbock wegen eines recht kaputten Flugzeugs erscheint angesichts dessen wie eine überstrapazierte Metapher für den Zustand der Koalition. Auch das repräsentative Politbarometer von dieser Woche sieht die Regierung in der Bredouille. Dass die Regierung bei der Lösung der anstehenden Probleme vorankommt, meinen nur 14 Prozent der Befragten. Als »eher schlecht« bewerten 58 Prozent die Arbeit der Koalition.
Schön wäre es ja, wenn die Linkspartei von diesen Streitereien in der Koalition und der Unzufriedenheit der Wähler*innen profitieren könnte, aber die kleinste Oppositionsfraktion hat zurzeit ja ihre ganz eigenen Probleme. Immerhin kommt die Partei bei der Politbarometer-Frage »Welche Partei würden sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre?« wieder auf fünf Prozent. Für zwei linke Parteien reicht das aber nicht.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.