Gewalt und Mordabsichten

Prozess gegen Mitglieder des rechten Kampfsportvereins »Knockout 51« startet

  • Kai Budler
  • Lesedauer: 4 Min.

Wegen Gründung beziehungsweise Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung müssen sich ab diesem Montag vier mutmaßliche Mitglieder der extrem rechten Kampfsportgruppe »Knockout 51« aus Eisenach vor dem Thüringer Oberlandesgericht (OLG) in Jena verantworten. Die Beschuldigten Leon R., Maximilian A., Eric K. und Bastian A. waren im Zuge einer Razzia in elf Bundesländern im April 2022 festgenommen worden und sitzen seitdem in Untersuchungshaft. In den Augen der Generalbundesanwaltschaft ist R., der auch eine rechte Szenekneipe in der Wartburgstadt betrieb, der Rädelsführer, die drei anderen sollen als Führungsfiguren der 2019 gegründeten Gruppierung mit Schwerpunkt in Eisenach agiert haben.

Daneben werden ihnen in 14 Fällen gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstöße gegen das Waffenrecht mit wechselnder Beteiligung vorgeworfen. Die Verfahren gegen zehn weitere Beschuldigte wurden abgetrennt. Unter ihnen befindet sich auch Patrick Wieschke, Bundesorganisationsleiter und Vorsitzender der Eisenacher Stadtratsfraktion der mittlerweile in Die Heimat umbenannten NPD.

Mit einem gemeinsamen körperlichen Training soll »Knockout 51« »junge, nationalistisch gesinnte Männer« angelockt und sie »bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktriniert« haben, heißt es in der Anklage der Generalbundesanwaltschaft. Das Ziel der Gruppierung seien »körperliche Auseinandersetzungen mit Polizeibeamten, Angehörigen der politisch linken Szene und sonstigen als bekämpfenswert erachteten Personen«.

Doch nicht nur den militanten Straßenkampf sollen die Neonazis trainiert haben, das Ziel der Gruppe hat sich nach Ansicht der Strafverfolgungsbehörde auch »auf die Tötung von Personen der linksextremen Szene« erstreckt. Dazu war »Knockout 51« bundesweit mit anderen gewaltbereiten und extrem rechten Kampfsportgruppen vernetzt. In der Eisenacher Weststadt wollten sie einen »Nazi-Kiez« als national befreite Zone schaffen und inszenierten sich dort mit »Kiezstreifen« als Ordnungsmacht.

Die Trainings fanden in der NPD-Landeszentrale in Eisenach stand, zu deren Trägerverein auch R. gehörte, andere Beschuldigte waren Mitglieder des Vereins. Ihren militanten Straßenkampf übten die Neonazis auch auf bundesweiten Veranstaltungen wie bei Aufmärschen von Gegner*innen der Corona-Maßnahmen in Berlin, wo sie zielgerichtet die Konfrontation mit der Polizei suchten. Auch in Eisenach nutzen oder initiierten sie entsprechende Aufmärsche als Gelegenheit zur Eskalation.

Erst Anfang des vergangenen Jahres zogen sich die Führungspersonen ein wenig aus der Öffentlichkeit zurück. Der Grund: Ein Polizeibeamter soll sie vor Ermittlungen und bevorstehenden Festnahmen gewarnt haben. Doch der scheinbare Rückzug kann nicht über die rasante Radikalisierung und Professionalisierung der Gewalt bei »Knockout 51« hinwegtäuschen. Der Netzwerker R. soll bereits damit angefangen haben, nach dem Vorbild des Attentäters von Halle mit einem 3D-Drucker Maschinenpistolen mit Munition herzustellen. Auf Ausflügen zu Schießständen in der Tschechischen Republik, die sie im Nachhinein als »Tschechienfeldzug« bezeichneten, trainierten die Beschuldigten den Umgang mit Schusswaffen.

Auf »Kiezstreife« gingen sie nur bewaffnet. Unter dem Deckmantel der vermeintlichen »Selbstverteidigung« wollten sie Angriffe provozieren, um dann mit Waffen wie Äxten, Messern und Macheten zuzuschlagen. Das hatten sie auch im September 2021 in Erfurt vor, wo sie vor dem Autonomen Jugendzentrum (AJZ) eine Auseinandersetzung provozieren wollten. Ein weiteres mutmaßliches Gruppenmitglied sollte das Auto laufen lassen, um gezielt mögliche Angreifer zu überfahren. Nur weil die Besucher*innen des Konzerts im AJZ die Neonazis nicht bemerkten, zogen sie an diesem Abend tatenlos wieder ab.

All dies war für die Generalbundesanwaltschaft Grund genug, die Beschuldigten Anfang Mai wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen und terroristischen Vereinigung anzuklagen. Dieser Einschätzung aber folgte das OLG in Jena nicht und ließ die Anklage nur unter der Maßgabe zu, dass der Strafsenat die Gruppe »nach Aktenlage als kriminelle Vereinigung« einordnet. Für eine Einstufung als terroristisch müssten Zweck und Tätigkeit der Vereinigung darauf ausgerichtet sein, Mord und Totschlag zu begehen. Dies aber sei nicht ausreichend begründet.

Diese Einschätzung stößt bei der Thüringer Linke-Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss, auf Unverständnis. Die Sprecherin für Antifaschismus und Antirassismus ihrer Fraktion bezeichnete es als »absolut unverständlich«, wie man bei »einer militanten Neonazi-Gruppierung, die eine menschenverachtende, tödliche, mörderische Ideologie eint und die sich Waffen beschafft, Waffen baut, um Menschen umzubringen«, von vornherein ausschließe, dass es sich auch um eine terroristische Vereinigung handeln könne.

Für die Hauptverhandlung sind bislang 38 Termine bis Ende März 2024 vorgesehen.

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