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Marzahn-Hellersdorf: Jung im Amt mit alten Leuten
Im Ostberliner Bezirk stehen große soziale Herausforderungen an, während das Bezirksamt mit Überalterung kämpft
»Mehr können wir Ihnen wegen der Haushaltssperre leider nicht bieten. Früher gab es noch Brötchen«, scherzt Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic (CDU) im Informationszentrum Marzahn-Hellersdorf am Dienstag. Vor 100 Tagen hat die CDU-Politikerin den bisherigen Bürgermeister des Ostbezirks, Gordon Lemm (SPD), abgelöst. Nun will sie mit Bezirkstadträt*innen über den Stand der Dinge in Berlins bekanntem Ostbezirk informieren.
Die Zusammenarbeit, sagt Zivkovic, laufe soweit super. »Wir sind alle sehr, sehr gut angekommen.« Es herrsche ein kollegialer Umgang, bei dem auch kritische Dinge angesprochen würden. Erst vor kurzem war über wohl unabgesprochene Nutzungsempfehlungen für Bezirksflächen gestritten worden, die Zivkovic an den Senat weitergeleitet hatte. So oder so hat das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf derzeit reichlich Probleme – angefangen bei sich selbst: Von 1995 Beschäftigten wird sich rund jede*r zweite bis zum Jahr 2030 in den Ruhestand verabschieden.
»Das ist noch ein bisschen hin«, versucht die Bezirksbürgermeisterin zu beruhigen. Um die Löcher zu stopfen, will sich Marzahn-Hellersdorf mehr an großen Ausbildungsmessen beteiligen und die eigenen Vorzüge als Arbeitgeber stärker hervorheben. »Ich höre immer wieder: ›Ich bin hier hergewechselt, weil ich hier auch wohne‹«, führt Zivkovic aus. Die CDU-Politikerin verweist außerdem auf die Kampagne der Senatsverwaltung, die ihre Mittel für das Personalmarketing bereits aufgestockt hat.
»Die Kollegen reißen ordentlich was raus«, hält hingegen Gordon Lemm fest, inzwischen Bezirksfamilienstadtrat in Marzahn-Hellersdorf. Die hohen Anforderungen am Arbeitsplatz spiegelten sich dementsprechend in den Krankenzahlen wider. Doch der SPD-Politiker hat noch ganz andere Sorgen: In fünf von insgesamt sechs Regionen des Bezirks sind die Kinderschutzmeldungen, also Verdachtsfälle für Gefährdung des Kindeswohls, gestiegen. Lemm spricht von »teilweise alarmierenden Zahlen«. In Marzahn-Mitte etwa wurden im gesamten vergangenen Jahr 450 solcher Fälle registriert. Jetzt, Ende August, sind es schon 350.
»Das kann auch positiv gesehen werden«, sagt Lemm. Das Umfeld entsprechender Familien reagiere womöglich aufmerksamer als früher. Auch wenn mittlerweile mehr Mittel zur Verfügung stünden, wolle der Bezirk effizienter mit den Geldern umgehen, erklärt der Familienstadtrat. Neben präventiver Sozialarbeit, bei der Familien rechtzeitig in die Lage versetzt werden sollten, selbst mit den Herausforderungen umzugehen, erweise sich besonders der sogenannte Familienrat als Erfolgskonzept. Bei diesem wird versucht, auch Nachbar*innen und Verwandte in der Umgebung in die Konfliktlösung miteinzubeziehen.
Nach zwei Jahren Pandemie seien viele, vor allem ältere Menschen in Marzahn-Hellersdorf zudem vereinsamt, teilt die Sozialstadträtin des Bezirks, Juliane Witt, mit. »In dieser Situation ist es unser Wunsch, einen Impuls zu setzen«, sagt die Linke-Politikerin. Die Schuldner- und Insolvenzberatung solle gestärkt werden, ebenso Verbraucherschutz und Schulungen für den Umgang mit technischen Geräten. Mit Sozialarbeiter*innen wolle man »von Tür zu Tür« gehen. »Faltblätter reichen nicht, um die Menschen zu erreichen.«
Sorgen macht Witt vor allem der nahende, kalte Januar. Die wegfallenden Mittel aus dem »Netzwerk der Wärme« der ehemaligen Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) träfen den Bezirk hart. »Die Gelder werden vom Senat nicht ausgeglichen«, kritisiert Witt. Möglichkeiten zur Begegnung, zum Austausch und zur gegenseitigen Unterstützung müssten gestrichen werden.
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