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LGBT-Rechte: Konservative Wende in Kirgistan
Nach russischem Vorbild erlässt die zentralasiatische Republik ein Gesetz gegen »LGBT-Propaganda« und plant weitere gesellschaftliche Einschränkungen
Kirgistan galt einst als die »Schweiz Zentralasiens« und das nicht nur wegen der schönen Berglandschaft. Umgeben von autoritär regierten Ex-Sowjetrepubliken entwickelte sich in dem kleinen Land eine Demokratie und Zivilgesellschaft. Seit gut zehn Jahren wird Kirgistan jedoch zunehmend konservativer und nationalistischer, für Minderheiten wird der Raum immer enger, das gilt insbesondere für die LGBT-Community.
Mitte August unterzeichnete der nationalkonservative Präsident Sadyr Dschaparow ein Gesetz, mit dem »LGBT-Propaganda« unter Minderjährigen verboten wird und stark an das russische Gesetz erinnert, das seit zehn Jahren existiert. Soweit wie Russland, wo inzwischen die »LGBT-Propaganda« auch für Erwachsene verboten ist, geht das kirgisische Gesetz noch nicht. Informationen über LGBT gehören zu einer langen Liste von Gegenständen, über die von nun an Minderjährige nicht mehr aufgeklärt werden dürfen. Dazu gehören auch Suizid, Alkohol- und Drogenkonsum, Prostitution, Landstreicherei und Betteln. Das Gesetz, das sowohl für Print- als auch für Onlinemedien gilt, sieht bei Verstößen Geldstrafen vor.
Anto-LGBT-Gesetz wurde bereits 2014 geplant
Obwohl Homosexualität in Kirgistan bereits 1998 entkriminalisiert wurde, wurde der Regierung seitdem immer wieder vorgeworfen, die Rechte von Lesben, Schwulen und trans Personen nicht ausreichend zu schützen. Insbesondere mit der zunehmenden Nationalisierung und Islamisierung (und unter dem Einfluss russischer Medien) sei die Lage für LGBT schlechter geworden, kritisiert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Eurasische Koalition für Gesundheit, Rechte, Gender- und Geschlechtervielfalt (ECOM) 31 Verstöße gegen die Rechte von LGBT in Kirgistan, vor allem durch medizinisches Personal. Zudem gibt es mehrere Fälle, in denen Mitarbeiter der Sicherheitsorgane Homosexuelle mit Fake-Anrufen in eine Falle locken und sie anschließend mit der Drohung, die Opfer zu outen, erpressen.
Debatten über ein Verbot von »LGBT-Propaganda« wurden in Bischkek bereits 2014 geführt. Obwohl sich Abgeordnete aus verschiedenen politischen Lagern dafür aussprachen und die Initiative eine große Mehrheit im Parlament bekam, trat das Gesetz nicht in Kraft. Auch die Veröffentlichung des Gesetzestextes auf der Parlamentshomepage 2019 blieb ohne Folgen. Diesmal blieb die parlamentarische Diskussion aus, ebenso die Proteste aus der Zivilgesellschaft.
Aktivisten und NGOs geraten unter Druck
In der Online-Zeitung »Kloop« warnte der Politikwissenschaftler Meder Tjulegenow vor den Folgen, insbesondere für NGOs. Zukünftig werde es heißen, dass »böse Mächte aus dem abartigen Westen« versuchen, »etwas zu oktroyieren«. Diese Mächte, so Tjulegenow, werden NGOs, Medien und Aktivisten sein, auf die entsprechend Druck ausgeübt wird. Wie es ablaufen könnte, war am 8. März zu sehen. Nachdem in Bischkek eine feministische Demonstration zum Internationalen Frauentag stattfand, spekulierten regierungsnahe Medien über »ausländische Drahtzieher«. Boulevardblätter schürten zudem Angst vor einer möglichen Gay-Pride, mit der die Kirgisen verführt werden könnten.
Kirgistan ist inzwischen von einer parlamentarischen in eine Präsidialrepublik umgewandelt worden, die immer mehr repressive Maßnahmen aus Russland übernimmt. So wird beispielsweise das Internet zunehmend reglementiert. Diskutiert wird unter anderem eine Ausweispflicht für soziale Medien und Messengerdienste. Und für russische Männer, die aus Angst vor Verfolgung wegen ihrer Aktivität oder Kriegsdienstverweigerung nach Kirgistan geflohen sind, ist das Land kein wirklich sicherer Ort mehr. Russische und kirgisische Behörden tauschen Daten über zur Fahndung ausgeschriebene Personen aus, einige exilierte Kriegsgegner wurden an Russland ausgeliefert. Im Herbst könnte Bischkek ein Gesetz über ausländische Agenten einführen, von dem auch die Exilstrukturen der russischen Opposition betroffen wären.
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